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15. März 2014, 00:00 Interview Movie

Frauke Finsterwalder im Interview

Gregor Schenker - Demnächst kommt „Finsterworld“ auf die grosse Leinwand: Eine märchenhafte Satire über Deutschland und die Sehnsucht von Menschen nach Umarmungen. Die Regisseurin Frauke Finsterwalder hat unsere Fragen beantwortet.

Am 20. März kommt Finsterworld in die Schweizer Kinos. Der Film von Frauke Finsterwalder pendelt zwischen Märchen und Politsatire: Was liegt den Menschen im gegenwärtigen Deutschland am Herzen? Vergangenheitsbewältigung, Fusspflege oder doch einfach die Sehnsucht nach ein bisschen Zärtlichkeit? Wir haben uns mit der Regisseurin unterhalten.


Students.ch: Frau Finsterwalder, das Drehbuch zu Finsterworld schrieb ihr Ehemann, der Bestsellerautor Christian Kracht (Faserland). Wann und wie kam die Entscheidung, gemeinsam einen Film zu machen?

Frauke Finsterwalder: Sofort in dem Moment, als ich Christian sagte, dass ich als nächstes Projekt keinen Dokumentarfilm drehen werde, sondern einen Spielfilm, und dass ich nach einem Co-Drehbuchautoren suche. Christian sagte: „Das geht nicht. Du musst das mit mir schreiben. Weil Du keinen Besseren finden wirst.“ Und er hatte recht.


Der Titel legt nahe, dass der Film eine Welt zeigt, die sich seine Regisseurin ausgedacht hat. Gleichzeitig ist er eine Satire auf gegenwärtige Verhältnisse. Wie kommen subjektive Sicht und Realität zusammen?

Wichtig beim Film ist ja vor allem – egal, ob einem das was man sieht real oder subjektiv vorkommt –, dass er einem glaubhaft erscheint, dass man sich darauf einlassen kann. Das man sich unterhalten fühlt. Es gibt fast nichts Schlimmeres, als sich im Kino zu langweilen.

Finsterworld wirkt mit seinen wunderschönen Bildern oft wie ein Märchenfilm, die Figuren sprechen eine künstliche Sprache. Ist diese Künstlichkeit notwendig, um etwas über die Gegenwart aussagen zu können?

Finsterworld ist ja zunächst ein sehr lustiger Film. Eine Komödie, die dann irgendwann zum Horrorfilm wird. Für so was braucht es auch eine eigene Sprache. Da kann man nicht einfach die Realität abfilmen. Es braucht gewisse Übertreibungen. Ich würde das auch nicht künstlich nennen, sondern eher Comic-haft.


Das Problem vieler der Figuren scheint darin zu bestehen, dass sie in ihrer eigenen Welt leben. Baut sich auch die Regisseurin mit Finsterworld eine solche Welt?

Ja richtig, ich mache eigentlich Filme, um nicht an der Realität zu verzweifeln.


Im Film redet eine Dokumentarfilmerin davon, wie Kollegen das Elend Afrikas für sich ausnützen. Ein reiches Ehepaar spricht mit einem Teenager über die Hässlichkeit der deutschen Flagge. Ein Fusspfleger und seine ältere Kundin unterhalten sich über den Ekel an Lieder-Refrains. Sind die Figuren das Sprachrohr von Finsterwalder und Kracht?

Viele der Charaktere in Finsterworld ähneln uns beiden sehr stark. Ich zum Beispiel bin eigentlich genauso wie der Fusspfleger Claude Petersdorf, Christian ist eher wie die Dokumentarfilmerin Franziska Feldenhoven.


Am Ende des Filmes reist diese Dokumentarfilmerin nach Afrika und stellt einer Massai die Frage, ob die Welt ohne Menschen nicht besser dran wäre. Darüber hinaus gibt es einen Einsiedler, der auf Autos schiesst, nachdem Vandalen seine Waldhütte zerstört haben. Oder ein reiches Ehepaar, dass technischen Fortschritt mit der Vernichtungsmaschinerie der Nazis in Verbindung bringt. Haben Sie für die Zivilisation nichts übrig?

Das kommt ganz darauf an, welche Zivilisation Sie meinen. Ich bin ja Deutsche und ich komme in und mit Deutschland nicht besonders gut zurecht. Aber dieses Problem wiederum ist ja das Deutscheste überhaupt. Obgleich, bis auf frisch gestärkte Bettlaken könnte ich auf die Zivilisation völlig verzichten.

Wenn der Fusspfleger die Hornhaut seiner Kundin abhobelt, fällt der anfallende Staub wie Schnee. An einer anderen Stelle spuckt ein Schüler in ein Waschbecken, Sie zeigen das in Nahaufnahme. Spielen Sie mit der Schönheit von ekligen Dingen? Habe Sie dabei auch an Charlotte Roches Feuchtgebiete gedacht?

Ich kenne Feuchtgebiete leider nicht. Aber ich finde, dass man nur indem man die Schönheit zeigt, über die Hässlichkeit der Welt sprechen kann. Und ausserdem sitzt man ja im Kino und will Dinge anders sehen, als man sie jeden Tag sieht. Zum Beispiel Hornhaut die aussieht wie Feenstaub.


Der Darsteller des Maximilian ist blond und blauäugig und hat für den KZ-Besuch nur Häme übrig. Den Überfall auf eine Mitschülerin, bei der er sie zusammen mit einem Freund in einen Ofen schiebt, lastet er erfolgreich dem Lehrer an. Am Ende steht Maximilian als grosser Sieger da. Behält der Faschismus in Deutschland noch immer die Oberhand?

Alltagsfaschismus gibt es wohl in den meisten Gesellschaften. In Deutschland finde ich ihn aber umso schockierender, da dort auf Grund der Vergangenheit ja jedes Kind in der Schule lernt, dass das falsch ist. Das wirkt dann gleich doppelt schlimm.


Obwohl der Film letzten Herbst in Deutschland erfolgreich anlief, kommt er erst jetzt in die Schweiz. Ist er zu sehr auf die deutsche Situation gemünzt, um ein Schweizer Publikum anzusprechen?

Der Film ist streckenweise sehr lustig und die Möglichkeit sich über seinen deutschen Nachbarn zu amüsieren, hat zumindest auf dem Züricher Filmfest dem Publikum gut getan. Und Finsterworld beschäftigt sich ja nur an der Oberfläche mit Deutschland, darunter geht es eher um die Einsamkeit, Obsessionen, die schattigen und obskuren Seiten der Menschen, die uns meistens verborgen bleiben. Genau die sind interessant.


Filmbilder © Markus Förderer, Alamode
Porträtfoto Frauke Finsterwalder © CK


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