Miley Cyrus pop(p)te sich durch Zürich
Dominique Rais - Wäre es nach der bunten Luftballon-Deko gegangen, hätte die Konzertbesucher im Hallenstadion gestern ein Kindergeburtstag erwartet – ein Trugschluss wie sich schon bald herausstellen sollte.
25 Trucks mit 54 Tonnen Material und 13 Nightliner hat es eigens für die Mega-Show gebraucht – soweit die Fakten. Auf den ersten Blick eine enorme Summe, die sich aber schon gleich relativiert, wenn man sich die abgefahrene Bühneninstallation genauer anschaut.
Die 21-jährige Amerikanerin versteht es sich zu inszenieren. Wo andere schlicht auf die Bühne gelaufen kommen, macht Miley Cyrus ein Mega-Spektakel daraus. Ein übergrosses Miley-Konterfei wurde an die Wand projiziert aus dessen Mund sich eine meterlange Zunge ausrollte auf der Miley Cyrus, zum Show-Opener „SMS“, in ihr zweistündiges Vergnügen gerutscht kam. Den ohrenbetäubenden Lärm, den Miley angesichts ihres Auftritts beim Publikum auslöste dürfte jeglichen messbaren Wert auf der Dezibel-Skala überschritten haben.
Früher haben noch Esel sprichwörtlich Geld geschissen, bei Miley Cyrus war es ein goldener Truck auf dem sie sich bei „Love Money Party“ lasziv räkelte und der daraufhin Dollar-Noten ausspuckte. Zugegeben, räkeln ist etwas untertrieben, sie hat es der Kühlerhaube besorgt. Die Reaktion der Eltern darauf hätte nicht unterschiedlicher sein können: die einen reagierten sichtlich amüsiert, andere zerrten ihre Töchter förmlich aus dem Konzert raus. Mein Tipp für’s nächste Mal: Liebe Eltern, organisiert euch einen Babysitter oder geht mit euren Kindern nach Disneyland, wenn ihr nicht die nächsten Wochen damit verbringen wollt, Aufklärungsunterricht zu geben.
Heiss, heisser, Miley. "Are you guys ready to get wet tonight?", fragte sie das Publikum und spuckte Wasser in die Menge. Die Leute tobten und kreischten. Verkehrte Welt? Nein, Miley halt. Da wurde gefummelt, geschlagen und wieder gekuschelt. Mileys Umsetzung zu „Can’t Be Tamed“ war hingegen verhältnismässig unspektakulär, die Bühnenbauer jedoch übertrafen sich dabei selbst, als sie während des Songs eine überdimensionale Nachbildung eines Huskys auf die Bühne schweben liessen.
Die „Bangerz“-Tour hielt was sie versprach und Miley pop(p)te und twerkte sich durch das Programm. Wer den Youtube-Clip zu „Adore You“ kennt, dürfte bei der Performance sichtlich überrascht gewesen sein, denn statt ihre Nippel blitzen zu lassen und sich selbst zu befriedigen, zeigte sie sich in einem hautengen, schwarz glitzernden Ganzkörper-Body - für ihre Verhältnisse geradezu brav. Hier kam das Publikum zum Zug. Dazu mischte sich Mileys Video-Crew unter die Menge und fing die Konzertbesucher ein, die dann in Grossaufnahme auf die Leinwand projiziert wurden und dazu angehalten waren jegliche Hemmungen fallen zu lassen. Männer knutschten mit Frauen, Frauen mit Frauen und Männer mit Männern. Das Publikum war davon mindestens genauso angetan wie Miley selbst. Ein Statement für mehr Toleranz?
Noch mehr Toleranz? Dieses Gefühl könnte man bekommen haben, wenn man Miley Cyrus Reaktion sah, als sie „Rooting For My Baby“ auf der kleine Zusatzbühne im hinteren Teil des Hallenstadions singend, einen Joint zugeworfen bekam. Ein Danke gefolgt von einem frechen Lächeln konnte auch sie sich dabei nicht verkneifen. Mit einer Cover-Triologie, einem Lutscher in Phallus-Form schleckend, ging es weiter mit „There Is A Light That Never Goes Out“ von The Smiths, dem Outkast-Cover „Hey Ya!“ und dem Dolly Parton Klassiker „Jolene“.
In einem gelben Kleid mit Federplüsch, das an einen Kanarienvogel erinnerte, ritt Miley auf einem Hotdog zu „Someone Else“ durch die Himmelspforte dem Konzert-Höhepunkt entgegen, denn ihre grössten Hits fehlten noch. Bei „We Can’t Stop“ brach wie erwartet die Hölle aus und das Publikum sang sich wortwörtlich die Seele aus dem Leib. Viel Zeit zum Verschnaufen blieb nicht. Mit „Wrecking Ball“ kam auch schon der nächste und zugleich vorletzte Knaller, bei dem die Wände des Hallenstadions förmlich zum Zittern gebracht wurden.
Warum die Konzertbesucher beim letzten Takt von „Wrecking Ball“ aus dem Hallenstadion flüchteten ist schleierhaft. Denn ganz nach dem Motto „Einer geht noch“ setzte Miley Cyrus mit „Party In The USA“ noch eins drauf. Da tanzte sogar der Mount Rushmore, die Freiheitsstatue und Abraham Lincoln während ein Indoor-Feuerwerk samt Konfettiregen über dem Publikum niederging. Die Schweiz Premiere war perfekt und allen Vorurteilen zum Trotz ein Genuss für Augen und Ohren, wenn auch an mancher Stelle die Bühnen-Show samt Einblendung von knallbunten Cartoons für eine Reizüberflutung sorgte. Trotzdem kam man nicht drumrum der Miley-Euphorie zu verfallen. Nach dieser doch etwas skurrilen Vorstellung war die einzige Frage, die offen blieb: Von was träumt Miley wohl nachts?