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17. Juli 2014, 17:29 Movie

Kino: Alois Nebel

Gregor Schenker - Eine tschechische Comicverfilmung nimmt sich einem wenig abgearbeiteten Kapitel der Nachkriegszeit an und erweist dabei dem Film noir die Ehre.

Der Held heisst Nebel und vernebelt ist auch seine Geschichte. Alois Nebel lebt in einem gottverlassenen Ausläufer der Sudeten unweit der polnischen Grenze und arbeitet dort als Fahrdienstleiter in einem kleinen Bahnhof. Jeden Tag stellt er einer Katze eine Schale Milch hin. Sein Kollege beschäftigt sich in erster Linie mit dem Schmuggel von Zigaretten, Schnaps und anderen Gütern. Als im Herbst 1989 die Mauer fällt, ändert sich kaum etwas an der täglichen Routine.

Bis ein stummer junger Mann auftaucht, der nicht nur den örtlichen Schmugglerring in Aufregung versetzt, sondern auch düstere Kindheitserinnerungen des Bahnangestellten an die Oberfläche holt: Als das Dritte Reich in den letzten Zügen liegt und die Sowjets das Land besetzen, werden die Deutschen aus dem Sudetenland vertrieben. Der kleine Alois sieht mit an, wie ein tschechischer Soldat eine Frau zurückhält und eine Waffe auf einen Wehrmachtssoldaten richtet. Ein Schuss fällt, dessen Folgen bis in die Gegenwart reichen.

Die Zusammenhänge der Geschichte erschliessen sich einem nicht ohne weiteres. Die Identität des stummen Mannes zum Beispiel bleibt rätselhaft bis zum Schluss.

Aber bereits die Comicvorlage von Jaroslav Rudiš und Jaromír Švejdík ist schwer durchschaubar, ganz so wie die Werke des Film noir, an die sich die Künstler mit den streng schwarzweissen Bildern anlehnen. Aus der Erschütterung durch den Zweiten Weltkrieg geboren, gingen die Protagonisten der amerikanischen Kinoklassiker durch eine Welt, die sie nicht mehr überblicken. Genau so wenig wie Alois mit seiner gequälten Gefühlswelt, die ihn zwischendurch in eine Nervenklinik bringt.

Für die visuell beeindruckende Filmadaption des Comics wählte Regisseur Tomáš Luňák das Rotoskopie-Verfahren: Ursprünglich an realen Schauplätzen und mit echten Schauspielern gedreht, geht das Filmmaterial durch einen Zeichentrick-Filter. Die seltsam gestelzten Bewegungen der animierten Figuren machen eine geistige Zerrüttung nachfühlbar, die nicht nur den Helden, sondern eine ganze Gesellschaft unterwandert.


Bewertung: 4 von 5


Der Film läuft als „Sommerpremiere“ im Filmpodium Zürich.

  • Titel: Alois Nebel
  • Land: Tschechien/Deutschland
  • Regie: Tomás Lunák
  • Drehbuch: Jaroslav Rudiš, Jaromír Švejdík (Jaromír 99)
  • Darsteller: Miroslav Krobot, Marie Ludvíková, Karel Roden
  • Verleih: Cinémathèque suisse
  • Start: 17. Juli 2014

Fotos von Cinémathèque suisse

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