Jazz geht auch anders
Annekatrin Kaps - Oder Gospel. Das wird nach den ersten Takten der britischen A-Capella Band „Vive“ klar. Im fast ausverkauften Saal der Reithalle im Riehener Wenkenpark konnte man sie beim Stimmenfestival erleben.
Your Motivation wird von dem charmanten Wuschelkopf Sam Robson akzentuiert begleitet, der eine ungewöhnlich wandlungsfähige Stimme besitzt. Dann sind wir dran, unsere Seite singt schon nach dem dritten Mal ganz passabel den Bop, Bop! Bop, Bop, Bop, Bop! Bop, Bop!-Refrain. Vie ve, hep, hep. antworten die Anderen. Grosses Gelächter, als wir weitersingen und niemand das Abschlagen des Dirigenten bemerkt.
Noch mehr Erheiterung, als Ben Cox, der ganz klassisch im hellen Anzug zu schwarzem Hemd daherkommt, durch Hand aufheben feststellen lässt, dass gleich viel Schweizer wie Deutsche im Raum sind. Obwohl wir in der Schweiz sind. So etwas wie den kleinen Grenzverkehr scheint man in England nicht zu kennen.
Bei High verblüfft Emily Dankworth mit ihrer beachtlich warmen tiefen Stimme, da sie ja eigentlich Sopran ist. Die lockige Schönheit im hellgeblümten Sommerkleid verzaubert das mittelalte Publikum, das konzentriert lauscht und dann doch ins Lied hinein klatscht.
britische Stimmgewalt
Auch die nächsten Lieder sind musikalisch perfekt, schön zum Anhören, doch auch etwas brav. Mit leichtem Swing kommt ein anderes Element bei When You Wish dazu, sehr reduziert von Vilpisaukas unterstützt. Mit der sechsten Nummer, eine Rap-Version namens Voice wird es interessanter, die tickenden Beats, der monotone, tiefe Sprechgesang und schwellende Background sind packend.
Leider pendelt sich irgendwann alles wieder bei der üblichen Tenor-Sopran-Stimmhöhe ein, die zwar sehr schön ist. Aber leicht beliebig bei zu viel Redundanz wirkt. Sehr hübsch ist es dafür, als Martynas Vilpisaukas ein imaginäres Schlagzeug spielt und Lewis Daniel dazu entspannt die Luftgitarre gibt.
Es gibt noch viel mehr unaufdringlich schöne Lieder, auch die leicht dissonanten wie bei Troubles We Find, wo sich Vive in zwei Gruppen teilt. Honor Honor läutet die Runde der Gospels ein, darin sind die Briten ganz stark. Bei Total Praise singen sie alle zusammen, was ein sehr homogenes und vielschichtigeres Klangerlebnis bietet. Unobservable ist ein popiger Gospel, die hellen und tiefen Stimmen verschmelzen schlussendlich zu dem langgezogenen Schrei einer Dampflok.
Die Michel-Jackson-Nummer wird wortreich angekündigt, wie viele andere auch. So eine Ansage kann schon mal fast so lang wie ein Lied sein, ohne dass der Sprecher dafür auf einer Kiste stehen müsste. Man In The Mirror ist eine Spur popiger, Vilpisaukas erinnert nicht nur mit der Stimme, sondern sogar im Schritt an the King of Pop, James Rose ist die perfekte Antwort des Spiegelbildes.
Nicht nur bei All That You Are zeigt Lewis Daniel, der am liebsten eine Baseballmütze zu lässigen Klamotten trägt, seine samtige Bassstimme, Martynas spielt dazu eine unsichtbare Trompete, herrlich knarzend und manchmal sogar liebenswert falsch.
Tykas dagegen ist ein Folksong seiner Heimat, er gibt den Vorsänger bei dem kraftvollen, litauischen Volkslied. Songs wie diese machen das hörenswerte Konzert spannender. Noch schöner wären mehr von den unterschiedlichen Stücken gewesen, dafür sogar weniger. Und mehr Tiefe, denn auch in dem sind Vive einfach perfekt.