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15. August 2014, 00:00 Movie

Vier Tage in Locarno: 2

Gregor Schenker - Ultra-kitschige China-Opern, Krüppel-Blowjobs und schimmliges Soja: Am Festival del film Locarno gab es wieder eine Menge zu sehen. Bloss der aufdringliche Sonnenschein nervt.

Endlich Sommer! Am Donnerstag brannte die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Vor so viel klimatischer guter Laune bringt man sich am besten in dunklen Kinosälen in Sicherheit.
Im Übrigens kam der Schreiber endlich dazu, das Essen in der Oasi Casablanca auszuprobieren, auch wenn's nur der kleine Antipasti-Teller war. Keine Hochklassküche, aber fein genug. Und das Personal ist ausnehmend freundlich.


Jiang shan mei ren (The Kingdom and the Beauty) (Ommagio a Ll Han-hsiang)

Von Il Han-hsiang, Hong Kong 1958

Der noch junge chinesische Kaiser setzt sich aus dem Palast ab und mischt sich unters Volk. Prompt verliebt er sich in die Tochter eines Schwankwirts. Ihr verspricht er, sie nach Peking zu holen, doch er vergisst sie – dabei ist sie von ihm schwanger.

Solche Reprisen braucht das Land! Jiang shan mei ren ist ein bildgewaltiges und farbenprächtiges Musical nach dem Vorbild chinesischer Opern – das muss man auf der grossen Leinwand gesehen haben.
Dazu ist der Film voll hemmungsloser Melodramatik. Oft unfreiwillig komisch, aber stets höllisch unterhaltsam.


Pardi di domani: Concorso internazionale

Ein Ausschnitt aus dem internationalen Kurzfilmwettbewerb (dessen durchschnittliche Qualität merklich höher ist als der des schweizerischen gestern – aber klar, hier ist die Auswahl halt grösser).

Ser e voltar
Von Xacio Baño, Spanien 2014, 13 min.
Ein junger Filmemacher nimmt seine Kamera mit zum Besuch bei den Grosseltern. Die Oma macht sich Sorgen um die Zukunftsaussichten des Künstler-Enkels.
Es ist immer ein bisschen langweilig, wenn junge Filmemacher Filme übers Filmemachen machen, aber die beiden alten Leutchen sind lustig.

La baracca
Von Federico Di Corato & Alessandro De Leo, Italien 2014, 28 min.
Ein paar Kinder bauen in den Ferien eine Baracke, in der sie ihre Freizeit verbringen.
Diese furiose Mixtur aus Camcorder-Schnippseln und atemberaubend schönen Panorama-Aufnahmen lässt von Beginn weg grosses Unheil erahnen. Ansonsten eingebettet und eingezwängt in die tiefreligiöse Welt der Erwachsenen, leben die Kinder einen anarchischen Naturkult aus. Von weitem grüsst der Herr der Fliegen.

Hole
Von Martin Edralin, Kanada 2014, 15 min.
Ein Mann mit schwerer körperlicher Behinderung will sich im Pornokino den Schwanz lutschen lassen. Dabei ist er jedoch auf die Hilfe seines Pflegers angewiesen.
Alles was recht ist, nach diesem Film muss man erst einmal durchschnaufen. Radikal ehrlich, ohne voyeuristisch zu sein. (Man merkt allerdings schon, dass der eine Penis künstlich ist.)

Rooli
Von Elli Toivoniemi & Jenni Kangasniemi, Finland 2014, 11 min.
Ein Jungschauspieler bewirbt sich für die Hauptrolle in einer Art Jesus-Film. Das Casting läuft bald aus dem Ruder.
Eine Art "Versteckte Kamera"-Variante mit dem Schauspieler als Opfer. Ganz schön witzig.

Abandoned Goods
Von Pia Borg & Edward Lawrenson, Grossbritannien 2014, 36 min.
Ein Dokumentarfilm über Bilder und Kunstobjekte, die die Patienten einer Nervenheilanstalt über die Jahrzehnte hinweg angefertigt haben. Erst vor kurzem wurden die Werke entdeckt, katalogisiert und über Ausstellungen zugänglich gemacht.
DasThema ist wahnsinnig interessant, ebenso die gezeigten Bilder und Plastiken. Mehr als schade, dass die erhaltenen Werke nur einen Bruchteil des gesamten Schaffens der nervenkranken Laienkünstler darstellen.

Triuksmadarys
Von Karolis Kaupinis, Litauen/Schweden 2014, 15 min.
Ein Direktor versucht die Schliessung seiner Schule zu verhindern, indem er eine höhere Schülerzahl vortäuscht. SeineVersuche sind natürlich vergebens – doch dann passiert ein Wunder.
Auch hier gibt es ordentlich was zu lachen. Und wo sonst sieht man erwachsene Männer Penisse an die Wände von Schülertoiletten zeichnen?


Alive (Concorso internazionale)

Von Park Jungbum, Südkorea 2014

Jungchul kämpft darum, irgendwie Geld zu verdienen. Ein Job in einer Fabrik für Sojabohnenpaste scheint ihm endlich den erhofften Durchbruch zu bringen. Doch dann breitet sich im Lager Schimmel aus.

Wenn ein Drama über südkoreanische Arbeiter drei Stunden andauert und dennoch nie langweilig wird – dann muss der entsprechende Film gut sein. Der Regisseur (der auch die Hauptrolle übernimmt) setzt auf breit ausgespielte Szenen, ohne Schnitt gedreht. Da zeigt er zum Beispiel für mehrere Minuten am Stück, wie sich Jungchuls psychisch gestörte Schwester selbst geisselt. Kleines Drama, grosses Kino.

Bild vom Festival del film Locarno

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