Chrieg @ Zurich Film Festival
Gregor Schenker - Der Hype-Film des Internationalen Spielfilm-Wettbewerbs erweist sich leider als typisch schweizerisches Produkt: Krampfhaft gesellschaftsrelevant, aber ohne Fokus. Die grosse Enttäuschung des Festivals.
Wie haben es diese drei Jugendlichen geschafft, den Hof zu übernehmen? Wie kam es dazu, dass die beiden jungen Männer das Mädchen in der Gruppe als gleichwertig akzeptieren? Das erfahren wir nicht. Wie Matteo werden wir in eine Situation geworfen, die wir nie völlig verstehen, die deswegen aber auch stets unglaubwürdig bleiben muss.
Dem Publikum Antworten vorzuenthalten wirkt hier weniger wie künstlerische Absicht, als wie der Versuch, die Löcher im Drehbuch zu kaschieren. Die Gewaltspitzen entwickeln sich nicht nachvollziehbar aus der Handlung oder aus der Figurenentwicklung, sondern erscheinen als billige Schockeffekte.
Am Ende wird weder die Geschichte von Matteo noch die Geschichte des Trios richtig ausgearbeitet, so dass nicht mehr übrig bleibt als ein Sammelsurium von spannenden, aber unausgereiften Ideen – und ein paar Klumpen plumper Gesellschaftskritik. So zum Beispiel, wenn der Serbe des Trios trotzig erklärt, die Schweiz hätte ihn am liebsten schon längst auf den Balkan geschickt.
Regisseur und Drehbuchautor Simon Jaquemet ist leider nicht die angekündigte Hoffnung des Schweizer Spielfilms. (Und wirkte im anschliessenden Gespräch mit dem Moderator ebenso verschlafen wie die Inszenierung seines Films.)
Keine weiteren Vorstellungen
Chrieg lief im Internationalen Spielfilm-Wettbewerb.
Aber dass jemand, der andere als SVP-Anwärter und Bünzler bezeichnet, selbst auf Gleichschaltung und Autoritätshörigkeit steht, empfinde ich als hübsche Ironie.
P.s. Für den Fall, dass Film oder Schauspieler morgen nominiert werden, empfehle ich dem Kritiker nie wieder über etwas zu schreiben oder vorschnell zu urteilen, von dem er keine Ahnung hat.
Eine schöne Zeit noch.
Hundertmal schockierender als "Chrieg", obwohl der Film vollständig auf billige Schockeffekte (Hundezwinger) verzichtet.
Hundertmal dynamischer in der Regie, obwohl er (fast) vollständig aus unbewegten Einstellungen besteht (statt aus diesem nervigen zeitgenössischen Kameragewackel).
Hundertmal glaubwürdiger in den Rollen, obwohl sie extrem stilisiert angelegt sind (und nicht bloss flach).
Und in Buch und Regie derart auf den Punkt, dass man Jaquement eine Sichtung aufzwingen sollte - damit er mal sieht, wie man einen Film ohne jede unnötige Verzettelung hinkriegt.