Lady Gaga kam, sang und machte alle Gaga
Dominique Rais - Die Redensart „gaga sein“ hat seit Stefani Germanotta, wie Lady Gaga mit bürgerlichem Namen heisst, ganz neue Dimensionen angenommen. Bei ihrem einzigen Schweizer Konzert im Zürcher Hallenstadion vergangenen Donnerstag machte die gefeierte Skandal-Diva ihrem Namen alle Ehre.
Punkt 20:45 fiel der perlmuttfarbene Vorhang und liess einen ersten Blick auf die Hauptbühne mit ihrer igluartigen Bühnenkonstruktion zu. Zu wummernden Beats der 5-köpfigen Live-Band betraten zwölf Tänzer die Bühne bevor Lady Gaga engelsgleich aus einer Luke im Bühnenboden emporstieg. In einem hautengen Body mit plüschig goldenen Engelsflügeln und mit einer wasserstoffblonden Perücke schritt Lady Gaga zu „Artpop“ unter tosendem Applaus ihren Arbeitsplatz für die kommenden 90 Minuten ab.
Bei ihrem Auftritt in Zürich liess Lady Gaga keinerlei Wünsche offen. Anlässlich der artRAVE –Tour war zu erwarten, dass ihr drittes Album „Artpop“ im Zentrum stehen würde. Dem Albumnamen entsprechend war auch die Show, die Lady Gaga ablieferte. Eine zur Perfektion ausgeklügelte Verschmelzung von Kunst und Pop bestehend aus den vier Elementen: Music, Fashion, Dance und Party.
Wie wandelbar Lady Gaga ist zeigte die 28-jährige im Hallenstadion immer wieder aufs Neue. Mal betrat sie in einem knappen glitzernden mit Muscheln besetzten Zweiteiler und mit langer, goldblonder, hochtoupierter Walle-Mähne zu „Venus“ die Bühne – die Anlehnung an Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ war dabei geradezu unumstösslich. Dann wieder bediente sie sich der Fantasie bei Bühnenoutfits wie dem Dalmatiner-Oktopus bei „Paparazzi“. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen gehört Stefani Germanotta wohl zu jenen, die solche durchweg skurielen Kostüme tragen können ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Nebst den neueren Songs fanden auch etliche ihrer Mega-Hits den Weg auf die Setlist. „Just Dance“, „Poker Face“ und „Bad Romance“ etwa wurden mit frenetischem Applaus gefeiert und lautstark mitgesungen, wobei jene Sitzplätze in den oberen Rängen geradezu zur Farce verkamen. Lady Gaga verwandelte das Hallenstadion schlicht in ein Tollhaus der besonderen Art.
Angesichts dessen war es geradezu ein Stilbruch, als sich Lady Gaga auf ihrer kleinen Kristall-Insel am Keyboard inmitten des Publikum niederliess um einige akustisch gespielte Songs, unteranderem „Born This Way“, zum Besten zu geben. Ihrer medialen Aufmerksamkeit bewusst nutzte sie die Gelegenheit sich für mehr Toleranz und Akzeptanz eines jeden Individuums, besonders gegenüber der Gay-Szene, stark zu machen.
Mit der Aussage, „Ich weiss, dass heute Abend viele Gays hier sind, also die, die ein Problem damit haben, sollten eigentlich gar nicht erst hier sein. Wenn doch, dann sollten sie jetzt gehen“, setzte Lady Gaga auf das Ganze noch ein i-Tüpfelchen drauf. Geradezu grotesk passen für alle Heuchler war der darauf folgende Song „Judas“ in dem sich Lady Gaga und ihre Tänzer in Lack und Leder über die Bühne rekelten. „Daumen hoch!“, bleibt da nur zu sagen.
Skeptikern zum Trotz bewies Lady Gaga mit ihrer ganz eigenen jedoch keinesfalls minder grossartigen Interpretation vom 4 Non Blondes Hit „What’s Up“, dass sie nicht nur eine der erfolgreichen Künstlerinnen der Gegenwart sondern auch eine gesanglich durchaus ernstzunehmende ist. Gäbe es einen Award für den bewegendsten Moment am Zürcher Lady Gaga Konzert so würde es die Performance von „Dope“ ganz an die Spitze schaffen. Ein Gänsehautmoment, der einer gefühlten Ewigkeit gleich kam. Voller Inbrunst besang sie die Abstinenz von Drogen und Alkohol, nicht ohne davor eine rührende Ansprache an ihre Fans zu halten.
Immer wieder bekundete Lady Gaga ihre Liebe für ihre Fans und bedankte sich für deren Unterstützung ohne die, wie sie selbst sagte, wohl noch immer arm wäre und in irgendwelchen New Yorker Bars kleine Konzerte geben würde. Zum Glück ist dem nicht so und Lady Gagas Schweizer „Little Monsters“ können sich schon jetzt auf das nächste Mal freuen, wenn es wieder heisst: „Let’s go Gaga!“