DVD der Woche: Persepolis
Christina Ruloff - Eigentlich war sie ein normales, cooles Mädchen. Sie trug Nike, mochte Popmusik und sagte meist ganz offen, was ihr gerade durch den Kopf ging. Nun gut, ihre irrwitzigen und wunderbaren Zwiegespräche mit Gott, der je nach Kindheitsphase Wallebart und Verständnis oder viel mehr...
Bedauerlicherweise änderte sich Marjane Satrapis Welt, die Stadt Teheran und ihr geliebtes Persien 1978 von Grund auf: Der verhasste Schah wird verjagt. Was bei den Satrapis zuerst Freudentaumel auslöst – schliesslich lebten sie in einem Unrechtsregime, in dem die Geheimpolizei die Bevölkerung bespitzelte, Tausende verhaftete und folterte – stürzt die Familie und das Land schliesslich in eine tiefe Depression. Die islamische Republik ist nämlich kein schlechter Witz, sondern macht mit ihren Geboten und Verboten bitteren Ernst. Wer den Schleier nicht trägt, nicht demütig ist und weiterhin westliche Kultur und Gedankenfreiheit leben will, lernt den Staatsterror kennen. Besonders Frauen wie Marjanes aufgeschlossene und gebildete Mutter haben unter den ständigen Demütigungen und Bedrohungen zu leiden. Die Kleine lässt sich jedoch nicht einschüchtert, verstrickt ihre Lehrerinnen in die Gegensätze ihrer islamischen Lehren und lässt zu Hause mit Iron Maiden auf dem Bett die Sau raus. Die Eltern sind stolz auf ihre Tochter – und beängstigt. Sie schicken sie nach Wien; doch der vermeintlich aufgeschlossene Westen mit seiner Punkkultur ist Marjane Sache nicht. Sie hat schreckliches Heimweh, nach ihrer Familie und einem Iran, der schon längst untergegangen ist...
In den Fängen der Sittenwächter: Die "Punk is Not Ded"-Jacke kommt gar nicht gut an.
Wer Marjane Satrapis Comics gelesen oder ihren Film gesehen hat, weiss, wie es im Iran vor 1978 zu und hergegangen ist und kann ermessen, wie viele Iraner sich heute nach der Vergangenheit sehnen müssen. Marjanes Universum um die herrlich ironische und liebenswürdige Grossmutter (der ein schöneres Denkmal kaum gesetzt hätte werden können!) und ihre politisch engagierten und weltoffenen Eltern scheint ein einziges Paradies gewesen zu sein. Die Grösse Satrapis zeigt sich eben darin, dass sie weder das „Alte“ verherrlicht, noch die Zeit nach der Revolution dämonisiert, sondern alles – allem voran sich selbst – mit einer schonungslosen, oftmals (selbst)ironischen Distanz betrachtet, den unglaublichen Vorgängen mit Humor und Herzlichkeit folgt und das Wesentliche, ihre eigene Geschichte, nie aus den Blick verliert. Wir verfolgen den Wandel des Irans und die 80er Jahre in Wien durch ihre Augen; wir erleben aber vor allem auch, wie sich das kleine vor Selbstbewusstsein strotzende Mädchen in eine mutige und starke Frau verwandelt, leidet und sich selbst trotz allem doch immer treu bleibt.
Amerika - der Erbfeind. Plötzlich steht die Welt Kopf.
Was der Film Persepolis den grossartigen Comics voraushat ist, dass er die visuellen Qualitäten – das strenge und Schwarz-Weiss – der Vorlage noch stärker hervortreten lässt, in den stilisierten Bildern die komplexen Aussagen Satrapis verdichtet. Wie viel investieren die amerikanischen „Riesen“ nicht in ihre Animation, die immer noch realistischer und noch raffinierter werden soll – und völlig umsonst. Das Einfache, Klare und Abstrakte macht Persepolis zu einem ganz besonderen und gelungenen Erlebnis; die Figur Marjanes, ihre Intelligenz, ihr Witz und ihre Ironie, aber auch ihre Wut und ihr Mut machen Persepolis zu einem geliebten Film.
In Wien geht's wild zu und her - aber irgendwie gehört Marjane nicht dazu... und sehnt sich nach der Heimat.
- Titel: Persepolis
- Land: Frankreich
- Länge: 92 Minuten
- Sprachen: Deutsch, Französisch, mit deutschen Untertiteln
- Bonus: Making Of, Geschnittene Szenen, Trailer