Die Göttin der kleinen Epen
Empfangen wird man vom hypnotisch pläschernden „Atom Dance“ und irgendwie fühlt man sich sofort wieder wohl in der leicht verschrobenen Welt von Björk. In der Mitte explodiert der Song dann mal kurz, um sich sofort wieder zu beruhigen. Der Folgetrack, „Black Lake“ dauert satte 10 Minuten und startet mit der unverkennbaren Stimme von Björk, unterlegt von ein paar Streichern. Man sieht den schwarzen See direkt vor sich. Das langsam pulsierende Etwas, dass sich schleichend hinter den Streichen platziert, symbolisiert wohl das Unbekannte, das man mit einem schwarzen See automatisch verbindet. Der Film im Kopf wird immer stärker, je dynamischer und intensiver der Song wird und wenn sich zum Schluss hin vermeintliche Dudelsäcke auskotzen, verbinden sich Melancholie und Furcht zu einer filigran schimmernden Einheit. Björk ist noch immer die Göttin der kleinen Epen.
Auffällig ist, dass nur zwei Songs unter vier Minuten Spielzeit besitzen. Sonst schöpft Björk aus den Vollen und füllt die Platte mit nur neun Songs, aber die haben es in sich. Geschickt jongliert die Künstlerin mit Themen wie Verzweiflung, Wut und Trauer oder Leidenschaft, Heilung und Hoffnung, singt von „Family“ oder „Quicksand“ und suhlt sich zum Schluss im tieftraurigen „Stonemilker“ ein letztes Mal in der märchenhaften Welt für Erwachsene, die sich Björk über Jahre hinweg aufgebaut hat. Dieses Reich ist vielseitig und voller kleiner Juwelen, die sich immer wieder in den Songs offenbaren. Man muss sich nur die Zeit nehmen und Björk dabei zuhören, wie sie ihr Reich um eine neue Facette erweitert.
Björk ist wieder da. Kräftig und voller Wucht, sensibel und voller Gefühl, mächtig und voller Poesie. Die Kultsängerin aus Island wird ihrem Ruf erneut gerecht. „Vulnicura“ ist ein Meilenstein in Björks Karriere.