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19. Juni 2008, 18:57 Kolumnen

When We Were Students...

Karin Reinhardt - Ich bin seit über einer Dekade erwachsen, biologisch gesehen. Ich bin ausgewachsen, verfüge über alle Dingsda-Attribute und könnte rein theoretisch Kinder gebären. Mein Geist hinkt dieser Entwicklung meilenweit hinterher. Zwar kann ich seit einiger Zeit ziemlich gut für mic...

Ich bin seit über einer Dekade erwachsen, biologisch gesehen. Ich bin ausgewachsen, verfüge über alle Dingsda-Attribute und könnte rein theoretisch Kinder gebären. Mein Geist hinkt dieser Entwicklung meilenweit hinterher. Zwar kann ich seit einiger Zeit ziemlich gut für mich selber sorgen, habe gelernt, was eine zweite Säule ist (bzw. schmerzlich erfahren, dass ich da was auf ein Konto einzahlen muss und mein Lohn somit kleiner wird) und organisiere meine Krankenversicherung selber. Ich kann Wäsche waschen, ohne die Hälfte zu klein oder rosarot aus der Trommel zu fischen. Ich mach sogar so regelmässig Waschtag, dass ich kaum einmal auf die Notfallunterhosen zurückgreifen muss. Auch sonst fühl ich mich ziemlich erwachsen, auf jeden Fall gemessen an früher (welch entwaffnende Logik, dieser Satz). Negativ ist das nicht, aber positiv auch nicht. Irgendwie war früher vieles besser, oder zumindest wars unbeschwerter. Wochentags Schule, Ufzgi und Telefonieren mit der besten Freundin (stundenlang, missfiel dann dem Vater. Die Familie meiner besten Freundin wurde von der Swisscom mal zum Kunde des Monat gekürt. Da hab ich wohl auch meinen Teil dazu beigetragen). Am Wochenende Ausgang, Kiffen und Schlafen. Freitags und Samstags. Später kam dann noch der Cool Monday und Thursdays Child hinzu. Und das wöchentlich. Wenn ich heute Freitag und Samstag weg gehe und später als 2 Uhr nach Hause komme, sieht man das meinem Gesicht eine Woche lang auf 3 Kilometer Entfernung an. Heute gehe ich alle drei Wochen mal in den Ausgang, wobei Ausgang auch weiter gefasst ist als früher, Znachtessen ist also auch schon Ausgang. Wenn ich dann um 2 nach Hause kommen, habe ich das befriedigende Gefühl, ich hätte mal wieder krass die Sau rausgelassen. Erwachsen werden heisst langweiliger werden. Es heisst mit Dingen umzugehen, mit denen man nix zu tun haben will. Da beendet man Beziehungen aus reiner Vernunft, weil man irgendwie keine Zukunft sieht. Das hätte man früher nicht nötig gehabt, weil Beziehungen sich einfach auflösten. Weil der eine Schluss machte, weil er den anderen nicht mehr gut fand, oder weil wir uns in seinen Kollegen verliebt hatten. Heute brauchts für eine Trennung schon stichhaltige Gründe und auch wenn sie vorhanden sind, tuts so saumässig weh. Erwachsen werden heisst, Menschen verlieren. Und auch wenn sie 87 und halb taub waren, fehlen sie. Erwachsen werden ist nicht lustig, aber wohl unumgänglich. Und mehr als Biologie.
Kommentare
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Jim-Knopf 01.07.2008 um 00:29
Köstlich! Stimme dir grundsätzlich ja zu, aber was das "langweiliger werden" betrifft, bin ich der Meinung, dass man da Gegensteuer halten kann und muss! Meine Kumpels haben mir vor einigen Jahren mal "101 Dinge, die man getan haben sollte, bevor das Leben vorbei ist" geschenkt. Nicht dass eine solche "Gebrauchsanweisung" zum spannenden Leben die Sache besser machen würde, aber der Spirit daran gefällt mir. Darum sage ich: lass stets genügend Spontanität zu und sei von Zeit zu Zeit so ein richtiges Kind!