Gurtenfestival 2008: Der Rückblick!
Silvan Gertsch - Wenn ein Künstler beim Ausüben seiner abendlichen Bühnenakrobatik strauchelt und sich den Fuss verdreht, dann kann es sich fast nur um Ricky Wilson von den Kaiser Chiefs handeln. Wenn es ein Sänger bereits während des Soundchecks fertig bringt, Hühnerhautstimmung zu verbrei...
Um es vornweg zu nehmen: Die Jubiläumsausgabe, der Gurten feierte in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag, war aus Sicht der Organisatoren ein Erfolg. 56'000 Personen pilgerten in diesem Jahr auf den Berner Hausberg, um bei grösstenteils schönem Wetter für eine wiederum friedliche Atmosphäre zu sorgen. Musikalische Highlights gab es viele – sehr viele sogar. Am Eröffnungsabend schrie sich der eingangs erwähnte Ricky Wilson schmerzverzerrt durch eine packende Version von "Oh My God" – und er machte seinem Ruf als Rampensau dank Kletteraktionen auf der Hauptbühne alle Ehre. Nach ihm doppelten die Chemical Brothers mit einer phänomenal auf die Musik abgestimmten Lichtshow nach.
Favez bewiesen zur unchristlichen Zeit am Freitagmittag, dass es für opulente Rocksongs und welschen Charme nie zu früh ist. Chris Wicky und seine Mannen waren einmal mehr in beeindruckender Höchstform! Und auch Paolo Nutini setzte gleichentags weitestgehend auf seinen Charme – er überzeugte trotz Schmuddel-Look mit folkigen Songs und ausdrucksstarker Stimme.
Etwas, was man, abgesehen von ihrer eleganteren Kleidung, auch von Amy MacDonald behaupten kann. Die 21-jährige Schottin lockte mit ihrer Stimme, die live um Welten abgebrühter klingt, als auf CD, so viele Leute wie nur selten vor die Zeltbühne und sorgte mitunter für chaotische Verhältnisse. Während die jungen Brit-Popper von The Courteeners mit ihren Melodien die beiden Punkrock-Urgesteine Mick Jones (ex-The-Clash) und Tony James (ex-Generation-X) von Carbon/Silicon in den Schatten stellten, spielten Züri West am einzigen ausverkauften Festivaltag auf dem Gurten ihre zwei grössten Stärken aus: Kuno Laueners Schalk und die Songauswahl, die (fast) sämtliche ihrer Klassiker berücksichtigte.
Der Sonntag stand schliesslich im Zeichen des Königs: Solomon Burke liess sich mit zehnminütiger Verspätung majestätisch auf den Thron hieven, um von dort aus einen Streifzug durch Zeiten zu wagen, als Soulmusik noch grosse Künstler hervor brachte. Er huldigte Soul-Sängern wie Otis Redding oder James Brown und gab der Jugend stimmgewaltig dir Richtung vor: Als Backgroundsängerin stand seine jüngste Tochter mit ihm auf der Bühne. Als er sie bat, einen Song zu performen, mahnte er: „But no rap. No 50 Cent!“. Nur gut, haben das die Hip-Hop-Vertreter am Gurtenfestival, wie N.E.R.D. und Dynamite Deluxe, nicht gehört. Obschon: Vor dem grossen Solomon Burke hätten auch sie anerkennend den Hut gezogen. Burke sass zwar wie gehabt während des ganzen Konzertes auf seinem Thron – mit seinem Charisma sorgte er aber für die strahlendste Show des diesjährigen Festivals.
Im nächsten Jahr findet das Gurtenfestival vom 16. bis 19. Juli statt.