bergauf bergab
Valerie Sauter - Hans Haldimann begibt sich fast ganz alleine mit der Kamera ins Herz der Schweiz und begleitet eine Bergbauernfamilie während eines Jahres in ihrem Alltag und bei der Arbeit. Es ist gar nicht so einfach, unsere Landsleute aus der Innerschweiz zu verstehen. Der Wunsch nach Untert...
Es ist gar nicht so einfach, unsere Landsleute aus der Innerschweiz zu verstehen. Der Wunsch nach Untertiteln legt sich jedoch zunehmend mit der fortschreitenden Dauer des Films und dem Eintauchen in die grossartige Bilderwelt der Alpen. Der Film ist schön ungeschminkt und urschweizerisch. Er ist so authentisch, dass man sich blöd vorkommt, ihn im sauberen Kinosaal zu gucken. Eigentlich müsste es nach Kuhmist riechen. Gezeigt werden diverse Szenen aus dem Alltag der Familie Kempf, wobei man viel Zeit zum Schauen und Zuhören hat und so allmählich in die Bauernwelt eintauchen kann. Man sieht, wie physisch die Arbeit ist, aber auch wie nah der Umgang des Menschen mit den Tieren und der Natur.
Ein bisschen zu kurz kommen leider die Szenen des Beisammenseins. Sie kommen zwar vor, man sieht sich zwei, dreimal am Esstisch, wird jedoch gleich wieder rausgeblendet. Was bewegt diese Menschen? Was diskutieren sie abends beim gemeinsamen Essen? Diese Fragen werden vom Film eher kurz angeschnitten. Schön wäre es auch gewesen, mehr über die Strukturierung des Alltags eines Bergbauern zu erfahren. Wie fällt er seine Entscheidungen? Was hat wann Priorität? Der Fokus des Films liegt jedoch mehr in einem allgemeinen Einblick in die Welt des Bergbauern, die grundlegenden Fragen, die ihn im Laufe eines Jahrs beschäftigen. Und das ist sicher gelungen.
Ätti und Sympathieträger Alois Kempf lockert die alpine Ruhe des Films immer wieder mit stocktrockenen Sprüchen und Lebensweisheiten auf. Wenn er sagt „ich bi gääre do“, dann glaubt man ihm das auch. Den Film als heimelig zu bezeichnen wäre fast etwas untertrieben. Er ist einfach so richtig echt. Der Film wäre allerdings für den Durschnittstädter vermutlich etwas zu heustaubig, also wird er ihm mit ordentlich gestriegeltem Ethnojazz näher gebracht, um auch den Erzurbansten im klimatisierten Kinosaal abzuholen. Schlussendlich ist der Film aber so oder so ein wahres Goldstück. Danke, Herr Haldimann, für den Extreme-Close-Up durchs Fernglas. Auf dass der kränklich bleiche Städter der Natur wieder näher komme! Nach diesem Film weiss man wieder, wie viel Arbeit hinter einem Liter Milch steckt. Und das vergisst man so gern, wenn die Tetrapacks so schön aufgereiht im Migros-Regal stehen.
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- Buch, Regie, Produktion, Kamera: Hans Haldimann
- Schnitt: Mirjam Krakenberger (u.a. Mani Matter 2005)
- Musik: Pascal Schaer, Baba Konaté, Cyril Moulas
- Tondesign und –Mischung: Christian Beusch, Magnetix
Kinostart: 24. Juli 2008**