Review: Neil Young @ Hallenstadion, 21.08.
Ein rot-gelb gescheckter Flügel und diverse offensichtlich klassische Filmscheinwerfer stehen auf der Bühne. Sie stechen aus dem „Grümpel“ heraus, der sonst so herumliegt. Ein Holzindianer schaut stumm ins Publikum, umstellt von Speerholzplatten. Man fühlt sich wie in einer Rumpelkammer. Hinter der Bühne prangen sinnlose Leuchtbuchstaben. Sie bleiben aber jeglichen Kontext schuldig. Scheinbar willkürlich stehen diverse Instrumente und eine stattliche Anzahl Verstärker herum. Dann wird’s dunkel, die Vorband beginnt.
Buchstäblich in letzter Minute wurde doch noch ein Supportact eingeschoben, wie der Mail von Good News zu entnehmen war, welche am Nachmittag noch eintraf. Coal heisst der Mann. „Ich hätte den Auftritt gerne mit meiner Band geteilt, aber ich habe auch sonst eine „Schiisfreud“, dass ich für euch hier spielen darf“, erklärte er zu Beginn kurz und legte los. Der Auftritt war sehr solide und sympathisch, er interagierte und gab sich redlich Mühe, die einige Hundert Leute zu unterhalten, die schon in der Halle waren. Gleichzeitig wurde leider klar, wie schlecht die Akustik im Hallenstadion tatsächlich ist. Jeder Akkord wurde von der Rückwand gnadenlos zurück geschleudert und störte doch massiv den Auftritt. Das lag vielleicht aber auch daran, dass Coal ruhige Akkustiksongs im Repertoire hatte und jegliche Störung hörbar war. Eine halbe Stunde lang überzeugte er, dann wurde es aber Zeit für Neil Young.
Die 3400 Menschen, die nach Zürich gekommen waren, tröpfelten gemächlich in die Halle. Als Young kurz vor neun die Bühne betrat, sassen schon die Meisten. Schade, dass eine Legende wie er nur so wenige Leute ins Stadion locken konnte. Vielleicht sollte man die Preise langsam überdenken. Doch Neil interessierte das nicht. Er spielte – und wie er das tat! Von Beginn weg liess er keinen Zweifel offen, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Es rockte, die verzerrten Gitarren heulten und die Band suhlte sich genüsslich in langen Instrumentalparts und packenden Gitarrensolos. Gleich neben dem Indianer am rechten Bühnenrand war eine Staffelei platziert, auf der jeweils ein Bild zum gerade gespielten Song ausgestellt wurde. Mal war es ein Apfel, mal Landschaftszeichnungen oder Schriftzeichen. Aber zentral war Young. Er trug ein weisses Hemd unter einem schwarzen Anzug, der mit Farbspritzern verschmiert schien. Schon beim zweiten Lied verzichtete die Hälfte der Halle auf ihren Sitzplatz und tanzte ausgelassen. Wer hatte bloss die Idee, ein Konzert von Neil Young zu bestuhlen? Es dauerte keine Viertelstunde, da war die Menge nicht mehr zu halten und stürmte an den Bühnenrand, wo sie der ersten Reihe die Sicht versperrten. Die Security war machtlos. Dafür ging die Party auf der Bühne weiter. Spirit Road vom aktuellen Album Chrome Dreams II und gleich danach der Klassiker Cinnamon Girl. Bald tauschte Neil Young seine Gitarre gegen eine akustische und setzte sich in der Mitte der Bühne. Ein ruhiger Teil stand an. Oh lonesome me vom 1970er Album After the Gold Rush eröffnete und Mother Earth übernahm. The Needle and the Damage done und Unknown Legend folgten. Dann trat Neil Young ans Mikrophon. „Ich war vor Jahren in Tennesse, um eine Show aufzuzeichnen. Am Abend machten einige Freunde und ich Musik und wir spielten diesen Song“, erzählte er und die ersten Akkorde von Heart of Gold erfüllten das Hallenstadion. Die sanften Klänge standen dem ansonsten im Zeichen des Rock stehenden Abend ausgesprochen gut. Ein kleines Meer aus Feuerzeugen erstrahlte und unterstrich die Magie, welche der Song zweifellos besitzt. Nach der Akustik-Session stellte er die Band vor. Allen voran seine Frau, welche am Flügel sass.
Danach wurde es wieder rockiger und nach zwei Stunden setzte Rocking in the free World den würdigen Schlusspunkt. Die Halle kochte noch einmal so richtig und auch die Band zelebrierte den Song, dass man die Energie, welche Neil und seine Freunde haben, eindrucksvoll spüren konnte. Seine Feunde, weil seine Band aus lauter guten Freunden besteht.
Als Zugabe lehnte sich Young an Jimi Hendrix an und bearbeitete seine Gitarre mit allem, was ihm gerade in die Quere kam, haute sie sanft auf den Boden, um ihr die Klänge zu entlocken, die er wollte. Jedoch blieb die Gitarre ganz, in früheren Jahren wäre sie wohl zu Bruch gegangen.
Neil Young war schlicht grossartig. Die Spielfreudigkeit, welche die Band an den Tag legt, kombiniert mit den zeitlosen Melodien, war einfach Atemberaubend. In stoischer Ruhe stand Young auf der Bühne, er ist sich sehr wohl bewusst, dass er keinem mehr etwas beweisen muss und Musik nur noch aus Spass an der Sache macht. Xavier Rudd sagte vor kurzem im Students-Interview über ein Neil Young Konzert: „He blew my mind.“ Das sagt eigentlich alles!