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1. Juli 2007, 00:00 Music

Tocotronic

Christina Ruloff - Kapitulation! Die liebsten deutschen Nein-Sager Tocotronic schlagen mit einem tollen Album zurück, überraschen und bleiben sich selbst treu. 'Ich weiß nicht, wieso ich euch so hasse, Fahrradfahrer dieser Stadt. Ich bin alleine und ich weiss es und ich find es sogar cool und ih...

Kapitulation! Die liebsten deutschen Nein-Sager Tocotronic schlagen mit einem tollen Album zurück, überraschen und bleiben sich selbst treu.

'Ich weiß nicht, wieso ich euch so hasse, Fahrradfahrer dieser Stadt. Ich bin alleine und ich weiss es und ich find es sogar cool und ihr demonstriert Verbrüderung.' (Freiburg, ein wunderbares Lied!)

Tocotronic steht für eine ganze Generation von nicht mehr ganz jungen, mehr oder weniger gereizten Deutschen, die sich längst dem Establishment angepasst haben, im Feuilleton und dem Kultur/Kunstbetrieb eingebunkert, einer geregelten Arbeit nachgehen und doch nein sagen: Nein zur Deutschtümelei. Nein zu wohlmeinenden Fahrradfahrern, welche Verbrüderung predigen. Nein zur Idylle. Nein zum Rotaryclub und ähnlich spiessigen Geheimorganisationen, die unter sich die Welt aufteilen. Nein zu all den sozialen und wirtschaftlichen Überbleibseln des Miefs der Fünfzigerjahre, die nicht einmal die 68er vernichten konnten. Nein zur Gesellschaft. Punkt.

Und dieses Nein formuliert die aus Hamburg stammende Gruppe um den Freiburger Sänger und Gitarristen Dirk von Lowtzow seit nun mehr als 14 Jahren auf überaus elegante, einfache, dreiste, selbstironische und doch immer wieder überraschende Art, dass man dem Charme von Tocotronic einfach nicht widerstehen kann und trotz aller guten Vorsätze dem manchmal besserwisserischen und durchaus elitär-intellektuellen Ton der Gruppe verfällt.

Seit der Gründung 1993 um den sagenumworbenen Song Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein hat sich einiges verändert; die Songs sind weniger Ich - bezogen und vor allem erwachsener geworden, musikalisch hat sich die Gruppe vom Punk zu nahezu allen Stilrichtungen geöffnet und experimentiert auch gerne an den eigenen Liedern herum. Tocotronic hat inzwischen auch bei einem Majorlabel unterschrieben.

, Lebensgefühl pur!)

Im Grunde ist sich Tocotronic aber treu geblieben; Überdruss und Abneigung gegen die Gesellschaft sind, gepaart mit der konkreten Beobachtung des ganz normalen Alltags, noch immer vorherrschend. Man sucht die Lösung für eine möglichst friedliche Koexistenz mit der Gesellschaft und noch immer sperrt man sich gegen das Deutsche.

Dass die Gruppe damit (fast gegen ihren Willen) sehr deutsch ist, ist wohl Ironie des Schicksals. „Wenn man nur halbwegs Anstand besitzt, kann man sich als Deutscher nicht national definieren. Deutschland hat nun mal diese Geschichte und ich finde es auch wichtig, dass das nicht in Vergessenheit gerät.“, kommentiert Dirk von Lowtzow im Interview die Bemerkung, dass es sehr deutsch sei, nicht deutsch sein zu wollen. „Ich kann mich sowieso mit so wenigen Sachen identifizieren und am allerwenigsten mit irgend’nem Land in dem ich lebe!“

Das neue Album Kapitulation steht denn auch in dieser Tocotronic-Tradition: „Und wenn Du kurz davor bist / kurz vor dem Fall / und wenn Du denkst, / 'Fuck it all!' / Und wenn Du nicht weißt, /wie soll es weitergehen... Kapitulation ohohoh“, heisst es im titelgebenden Song.

„Die Zeit in der wir uns befinden und die Gesellschaftsstruktur, alles, was man den Zeitgeist nennen könnte, der produziert permanent ein Gefühl der Erschöpfung. Der Imperativ lautet hier: „Optimiere dich, verwirkliche dich selbst, sei glücklich... durch den eigenen Erfolg.““, erläutert von Lowtzow die Idee hinter dem Album. Und weiter: „Die Strategie der Kapitulation als Reaktion ist eine sehr interessante. Es ist ein befreiendes Gefühl zu sagen: „Ich streck die Waffen. Ich kann nicht mehr!“ Und natürlich ist „Kapitulation“ an sich ein sehr, sehr schönes Wort, melodisch und so ziemlich der radikalste Titel, den man ner Platte geben kann. So schön paradox.“

Hier ist sie wieder, die schön kontroverse, geliebte andere Sicht auf die Dinge, die Tocotronic so spannend macht. Und da die Platte Kapitulation hält, was der melodische Titelsong verspricht, muss man vor der Gruppe kapitulieren! Denn man hört ihnen wirklich gerne zu. Und schliesslich „darf pure Vernunft niemals siegen“!

Das Album Kapitulation erscheint am 6. Juli.

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