Bernd Eichinger im Interview
Christina Ruloff - Bernd Eichinger - die Emanation des erfolgreichen deutschen Films - spricht über die Kontroverse rund um den Baader Meinhof Komplex, über die Zeit der RAF und übers Drehbuchschreiben!Students.ch: Herr Eichinger, sind Sie von der Kontroverse [die Ihr neuer Film „Der Baader Me...
Students.ch: Herr Eichinger, sind Sie von der Kontroverse [die Ihr neuer Film „Der Baader Meinhof Komplex“ ausgelöst hat] überrascht?
Bernd Eichinger: Nein. Natürlich waren wir uns alle im Klaren darüber, dass wenn wir einen Film machen über den „Baader Meinhof Komplex“, da ordentlich Gewitter kommen wird. Andererseits weiss ich bei manchen Filmkritiken nicht worum es denen wirklich geht. Ich hab manchmal das Gefühl, die haben einen anderen Film gesehen.
Sie haben sich wohl also auf Kritik eingestellt, nicht aber auf diese Art von Kritik?
Ich stell mich auf gar nichts ein. Ich kann ja nur den Film machen. Ich mach den Film so gut ich das kann und so verantwortungsvoll wie ich das kann. Und wir hauen unsere Energie und unsere Vitalität rein, und mein Gott, letztlich muss jeder selber entscheiden, was er damit macht. Wenn Sie mich fragen, ob mich das alles kalt lässt, wär’s gelogen. Aber am Ende des Tages... muss ich auch über vieles lachen. Das ist nicht nur bitterer Ernst. Manches find ich über die Massen arrogant. Aber um nochmals klar zu stellen: Es geht mir gar nicht drum, dass da jeder eine Hymne loslässt; man kann auch von Kritiken, die negativ oder weniger gut ausfallen, unter Umständen durchaus was lernen, die interessant finden. Manchmal ist das vielleicht interessanter, als wenn nur einer ne Lobrede hält. Manches ist aber aus meiner Sicht nur inkompetent, einfach nur blöd. – Aber um das Thema abzuschliessen: Man macht das bei jedem Film wieder mit. Aber am Ende hat das Publikum das letzte Wort und das ist es, worauf es ankommt.
"Alles was gemacht wird, geschieht mit meinem Wissen und meinem Zutun." Bernd Eichinger, hier mit Freund und Regisseur Uli Edel in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim.
Schmerzt es einen Film loszulassen, nachdem er abgeschlossen ist, und ihn ans Publikum weiterzugeben?
Nein gar nicht. Ich weiss aus Erfahrung, dass es manchmal schmerzt, wenn man einen Film produziert hat, ihn an einen fremden Verleih zu geben. Das ist als gibt man das Baby in die Hand von jemand anderem. Wenn man aber wie wir – zumindest im deutschsprachigen Raum – den Film selber verleihen können, ist es nicht so schlimm, weil wir ihn dann noch betreuen. Wenn er ins Kino kommt, denkt man eher: „Ah, jetzt bist’es los!“ Es muss dann auch mal zu Ende zu sein. Wenn man den Film häufig gesehen hat, geschnitten und alles, die Kampagnen gemacht hat, dann reicht’s einem dann auch.
Zum wievielten Mal schauen Sie sich denn heute Abend [am Abend der Filmpremiere zur Eröffnung des Filmfestivals] den Film an?
Ich schau mir den heute nicht an! Ich hab den Film in jedem Stadium gesehen, vom ersten Drehtag an. Und leben tu ich mit dem Film ja noch länger, weil ich das Drehbuch geschrieben habe. Ich seh jedes Bild; alles was gemacht wird, geschieht mit meinem Wissen und meinem Zutun. Die Schnittphase dauert sechs bis sieben Monate, das können Sie gar nicht zählen, wie oft ich den Film gesehen habe! Dann müssen Sie ja aufpassen, dass Sie den gesamten Film nicht zu oft sehen. Weil wenn’s dran geht den Film zu kürzen... also ich versuch eher den Film weniger oft zu sehen. Aber natürlich habe ich den relativ fertigen Film, was weiss ich, 50 Mal gesehen. Und bei der Premiere in München war ich dabei, das hat mich interessiert. Und bei der Premiere in Berlin war ich auch drin. Viele von uns sind raus und zum Essen gegangen. Ich wollt eigentlich auch, aber bin dann sitzen geblieben... (schmunzelt) und hab ihn doch noch angeschaut.
Wie haben Sie als Drehbuchautor die Entscheidungen getroffen, wo Sie raffen und dehnen? Es gibt ja kein Wahrheit...
Das ist klar. Das [Raffen und Dehnen] ist natürlich immer die Problematik bei jedem Drehbuch. Die Frage, was ist wichtig, ist genau so gegeben, bei einem Roman. „Vom Winde verweht“ hat auch 1000 Seiten, oder „Dr. Schiwago“. Auch da muss man überlegen: Was ist für die Geschichte wichtig? Das ist hier ähnlich. Was empfinde ich für die Geschichte als unverzichtbar? Wo sind die aktionsreichen und die stillen Momente, die man braucht? Der Film ist natürlich sehr stürmisch, nach vorne gerichtet. Die Zeit hatte auch etwas atemloses. Das kann man sich heute gar nicht mehr so vorstellen: Man ist angehalten worden mit dem Auto, und paff war schon die Knarre drin. Und man denkt: Jetzt bloss nichts machen, weil wenn der nen nervösen Zeigefinger hat, dann hast du mehrere Schüsse im Bauch. Die Polizei hatte sich entsprechend aufgerüstet. Das war auch ernst gemeint, weil sie Angst hatten vor den Terroristen, die ja auch gleich geschossen haben. Die Nervosität war immer in der Luft.
Wenn ich schreibe, dann bin ich nicht stets in Kontrolle über den Stoff. Die Leute waren auch nicht mehr in Kontrolle über was sie getan haben. Das ist ja auch nicht wirklich planvoll, was passiert ist. Vom Moment an, wo sie im Untergrund waren, ging’s nur darum, nicht erwischt zu werden, und wenn sie erwischt worden sind, sie irgendwie wieder freizupressen. Alle sind von den Ereignissen getrieben worden, da gabs kein Anhalten mehr, kein Verschnaufen. Für die Polizei nicht, die mussten sie ja fassen; und für die anderen auch nicht. Die sind ja gejagt worden.
"Die Zeit hatte auch etwas atemloses. Das kann man sich heute gar nicht mehr so vorstellen." Eichinger anlässlich des Filmstarts mit Autor Stefan Aust
Die Polizei und ihre Perspektive wird ja sehr viel kürzer geschildert: Wie kommt es zu dieser Gewichtung?
Der Film heisst ja „Der Baader Meinhof Komplex“! Herold [Horst Herold, Präsident der Bundeskriminalamtes 1971-1981] war dafür zuständig, die Terroristen zu jagen. Das war sein Job. Und wer da Bundesinnenminister und Kanzler war, da waren ja drei – Kiesinger, Willy Brandt und Helmut Schmidt – und was die für Leute hatten... wie hätte man das zeigen sollen.
Horst Herold hat im Film die differenzierteste Sicht über die RAF und den Terrorismus. Wie kommt das?
Horst Herold war so. Er war ein sehr visionärer Mann, der auch die ganze Rasterfahndung entwickelt hat. Er war Computernarr, ein Freak. Er hat das Pech gehabt, dass bei der Entführung Schleyer die Hinweise, wo das Versteck der Terroristen war, zwei Mal verloren gegangen sind, das war für ihn tragisch. Wenn er sagt, man müsse Terrorismus auch auf dem politischen Weg in den Griff kriegen, dann ist das von ihm, nicht von mir. Das ist prophetisch, wenn er sagt, dass der Terrorismus statt eines grossen Krieges stattfindet – das ist, was wir heute haben, genau diese Situation.
Die Figur des Baader wird sehr apolitisch und vor allem machohaft geschildert. Was ist da dran?
Ich kannte Baader nicht. Ich kann nur die Person recherchieren. Er hat sich ja auch in den zehn Jahren mit all den Erfahrungen, die er gemacht hat, geändert. Ich denke, aus all dem, was ich in Erfahrung bringen konnte (und das ist eine Menge, weil unwahrscheinlich viele Leute über ihn geschrieben haben), ist es nicht so kryptisch: Man kann sich die Figur gut vorstellen und man kann sich auch vorstellen, wie er sich verändert hat. Er war am Anfang politisch überhaupt nicht geschult. Baader war auf Randale aus, es hat ihm Spass gemacht, die Autoritäten zu provozieren, in jeglicher Weise. Er war sexy, er wirkte anziehend auf manche Menschen. In einer Zeit, in der so viel debattiert und debattiert wurde, kam er ganz gut rüber, mit seiner Art „Wir machen jetzt was!“. Und dann macht der Moritz [Bleibtreu] auch noch damit, was er denkt, dass er machen muss. Ich denke, das ist nicht so weit weg, von dem was Baader wirklich war.
"Er war am Anfang politisch überhaupt nicht geschult. Baader war auf Randale aus, es hat ihm Spass gemacht, die Autoritäten zu provozieren, in jeglicher Weise. Er war sexy." Eichinger über Andreas Baader.
Sie sagen, sie wollen Fragen stellen, aber keine Antworten mitliefern. Schwingt nicht doch in jedem Film ein Urteil mit?
Was ich immer klar machen will und was oft falsch verstanden wird ist folgendes: Ich kann mit einem Kinofilm etwas erreichen, was eben nur der Kinofilm kann: Ich kann den Zuschauer in einen Zustand versetzen, an Dingen teilhaben lassen, weil ich ihn durch die subjektive Erzählkraft eines Films, durch suggestive Kraft in die Szenen hineinversetzen kann. Ich kann ihn Teil dessen machen, was geschehen ist. So kann der Zuschauer daraus seine eigenen Erfahrungen machen.
Natürlich habe ich eine Haltung und die Haltung wird im Film ziemlich deutlich. Nur ich gebe keine Antworten, auf Fragen, die ich selber nicht beantworten kann. Ich weiss nicht, wie Ulrike Meinhof dazukommt, zwei Kinder zu haben und die in ein palästinensisches Kinderheim abschieben will. Mir ist das unverständlich. Ich kann’s nicht erklären und ich kann’s nicht nachempfinden. Ich hab ein paar Hinweise. Diese Hinweise sind im Film auch untergebracht. Auch Baader hatte ein Kind und Ensslin hatte ein Kind. Aber die haben sie nicht in ein palästinensisches Lager entführen lassen. Die sind bei den Grosseltern aufgewachsen. Wahrscheinlich haben die anderen zur Meinhof immer gesagt, sie ist ne bourgeoise Schickse Sie war älter, verheiratet, hatte nicht nur die Kinder, sondern auch ein Haus und eine Karriere. Darauf haben die anderen sie auch ständig aufmerksam gemacht, dass sie als Revolutionärin nichts taugt, und da musste sie – wie man heute sagt, ein schlechtes Zitat – päpstlicher als der Papst sein. Radikaler als die Radikalsten. Hinweise gibt es, aber Antworten nicht. Das ist auch nicht leistbar.
Ich bin kein Oberlehrer. Ich sage nicht, in der Stunde behandeln wir RAF und ich zeige euch, wie ihr das zu verstehen habt. So geht’s nicht. So seh ich mich nicht. Ich bin nicht im Besitz der allein - selig - machenden Weisheit. Ich bin froh, wenn ich einigermassen an die Realitäten herankomme.