Mo Blanc: Ein Song soll lebendig sein
Patrick Holenstein - Die Schweizer Band Mo Blanc hat dieses Jahr ein neues Album veröffentlicht. Wir konnten den Sänger Moritz Wyss dazu befragen.
Nur kurz nach der Plattentaufe von «Beauty Spots» trafen wir Moritz Wyss, den Sänger von Mo Blanc (links auf dem Titelbild zum Artikel), zum Interview im Café Lang in Zürich. Der Musiker hat sich dabei als symphatisch und sehr nett herausgestellt. Sogar für eine junge Mutter, die ihn erkannt hat, nahm er sich Zeit. Im ausführlichen Gespräch erzählte Moritz, wieso es die Band noch nicht ans Meer geschafft hat, ging auf die Hintergründe zum Song «Icarus» ein, sprach von der Plattentaufe und er lüftete die Herkunft des Albumtitels.
Als ich Mo Blanc das erste Mal gesehen habe, wart ihr zwei Leute mit Gitarren. Das war 2012. Seither hat sich Mo Blanc zum Quintett gewandelt. Was ist passiert?
2012 ist gerade die erste Platte erschienen. Drei Jahre später ist jetzt die zweite auf den Markt gekommen. Wir waren aber schon 2012 eigentlich zu viert unterwegs. Ein fünftes Bandmitglied kam im Laufe der Zeit noch dazu. Das war ein Keyboarder, weil wir die Musik ziemlich diversifiziert haben. Ich wollte Mo Blanc bewusst in diese Bahnen leiten, damit das Ganze etwas mehr Substanz bekommt und «bandiger» wird.
Hat dieser Prozess für dich funktioniert? Denn angefangen hast du ja ganz alleine.
Genau. Mo Blanc war anfangs mehr ein Sideproject. Ich hatte daneben noch eine Rockband, bereits zusammen mit unserem Gitarristen Daniel. Zuerst wollte ich die etwas stilleren Songs für mich alleine spielen. Wir hatten damals aber einfach auch das Gefühl, dass es musikalisch noch etwas mehr bräuchte. Wir wollten zuerst jemanden, der Rhythmik macht, daraus wurde dann das Schlagzeug und von da war es nicht weit zu einem Bass. Schliesslich kam noch der Keyboarder dazu und jetzt ist Mo Blanc wirklich eine Band, in der wir die Songs zusammen entwickeln und uns zurückziehen, um daran zu arbeiten. Ich bin jetzt nicht mehr der Einzige, der schreibt.
Beim Stichwort «zurückziehen»: Ich habe gelesen, dass ihr eine Zeit lang in den Alpen wart, um euch als Band zu finden. Wie hat das funktioniert?
Wir machen das immer wieder. Aber da sind wir sicher nicht die einzige Band. Es gibt beispielsweise einen Ort bei Engelberg, der Grünenwald heisst. Dort ist es ideal, weil man die Infrastruktur hat. Es gibt ein Haus mit sehr vielen Zimmern und einen grossen Raum, in dem wir gemeinsam spielen können. So kann man sich tagelang zurückziehen, hat das Haus für sich und kann Musik machen, so lange man will. Ein anderes Mal waren wir in Seelisberg. Dabei ist die Atmosphäre immer sehr eindrucksvoll und gerade, wenn man im Prozess drin ist und neue Sachen entwickeln möchte, ist das sehr inspirierend.
Seid ihr eine Band, die ständig an der Musik tüftelt und experimentiert?
Schon nicht ständig. Wir haben verschiedene Arbeitsphasen. Natürlich, wenn es auf ein Album hingeht, dann wird sehr diszipliniert an den Songs getüftelt und diese werden sorgfältig ausgearbeitet. Schon kurz bevor die Platte dann erscheint, üben wir jeweils das Live-Set ein. Das bedeutet, die ganzen Songs auf der Platte werden etwas vereinfacht, damit sie bühnentauglich sind. Das hat viel mit Disziplin zu tun. Dazwischen gibt es immer wieder Phasen, in denen wir mehr Luft zum Atmen haben und dann lassen wir uns am liebsten durch alle möglichen Sachen inspirieren. Das sind dann oft die Berge, könnte aber auch mal das Meer sein. Das haben wir bis jetzt noch nicht geschafft, aber eine Hütte am Meer wäre auch schön, bräuchte aber wohl etwas mehr Zeit als eine Woche. Ich fände das aber sehr inspirierend, einfach mal nach Spanien zu fahren.
Die Frage kam aus unserer Community. Die Person kennt eure Musik gut und hat festgestellt, dass ihr stilistisch sehr breit seid. Daraus resultiert für die Userin die Frage, ob ihr euch stilistisch noch am Finden seid oder ob ihr bewusst breit bleiben möchtet?
Wahrscheinlich ist es weder noch. Es ist uns schon bewusst, dass unser Sound breit gefächert ist. Aber das kommt eher durch unser Selbstverständnis, dass wir viel ausprobieren wollen. Ich glaube, nur schon durch die verschiedenen Bandmitglieder sind wir zu wenig homogen, um uns auf einen Stil zu einigen und uns in einer Schublade zu bewegen. Deshalb ist es ein natürlicher Ansatz von uns, dass wir verschiedene Dinge versuchen.
Wenn man weiss, dass ihr euch als Band gerne in die Alpen zurückzieht, verbindet man den Namen der neuen Platte, «Beauty Spots», natürlich sofort damit. Wie habt ihr euch für den Titel entschieden?
Natürlich gefallen mir die Alpen, aber wir vorher gesagt, bin ich eher der Typ für das Meer und den Süden. Aber die Alpen sind sehr mächtig und inspirierend, nur sagt mir der Schnee immer weniger zu. Aber ja, der Titel ist nicht einfach aus den Nichts gekommen. Es geht dabei vor allem um Erinnerungen, besonders um Erinnerungen vom Unterwegssein. Viele Soundfetzen, die wir zusammengetragen haben, stammen von Reise-Erinnerungen oder sind sogar auf Reisen entstanden. Es ist auch so, dass die Phrase «Beauty Spots» in einem Text vorkommt, aber der Song wird dann wahrscheinlich erst auf dem nächsten Album sein.
Ich würde gerne einen Song direkt ansprechen. Mir ist «Icarus» besonders aufgefallen. Weil es ein sehr schöner Text ist und andererseits der Titel im Text gar nicht vorkommt. Icarus steht für mich wie als Metapher für das Weiterziehen.
Es ist genau so gemeint. Ich glaube, den Namen habe ich dem Song erst gegeben, als er fertig geschrieben war, weil ich fand, dass er passt. Beim Thema geht es darum, nach Sachen zu greifen und sich dann verbrennen, darum hat das schon Sinn ergeben. Ich habe aber lange überlegt, ob die Icarus-Metapher nicht zu plakativ ist. Inzwischen finde ich, dass der Titel gut zum Text passt. Aber ich habe nicht Aufgrund der Geschichte von Icarus den Text geschrieben, sondern umgekehrt.
Der zweite Song wäre «Featherlike». Was hat es damit auf sich?
Das ist ganz ähnlich. (überlegt kurz) Ich weiss manchmal gar nicht mehr, wo ich die Songs geschrieben habe. Aber hier spielen auch Erinnerungen von Unterwegs mit. Ich kann mich erinnern, dass ich eine Zeit lang mit der Gitarre in Nicaragua unterwegs war und dort mit dem Song begonnen habe. Aber so ein Song kann sich über lange Zeit hinziehen. Hier dürften es zwei, drei Jahre gewesen sein, in denen der Song entstanden ist. Er hat sich dabei immer wieder verändert. Der Song ändert sich auch jetzt noch fast jedes Mal ein wenig, wenn ich ihn live spiele. Es ist recht komisch, wenn ich zwei Jahre später die Originalaufnahme wieder höre und der Song inzwischen ganz anders in meinen Ohren ist.
Ist das nicht bei Musikern generell so, dass sich die eigenen Songs mit der Zeit verändern? Auch, weil du dich als Künstler und Mensch veränderst?
Doch, das ist genau so. Es wäre ja auch schade, wenn ein Song ständig exakt gleich bleiben würde. Ein Song soll lebendig sein und sich mit dem Spielen verändern.
Ich habe gelesen, dass ihr «Beauty Spots» via Crowdfunding finanziert habt. Wieso habt ihr euch dafür entschieden? Das ist heute stark verbreitet. Es ist ein Weg, wie man überhaupt noch zu Geld kommt. Man kann öffentliche Finanzierung beantragen, das haben wir auch gemacht. Mit den Plattenverkäufen verdient man aber heute fast kein Geld mehr. Man kann natürlich über die Konzerte quersubventionieren. Aber so bleibt noch das Crowdfunding, wobei das ja auch schon nicht mehr so zieht, wie noch vor fünf Jahren. Damals war es neu und die Leute haben viel lieber Projekte unterstützt. Inzwischen gibt es so viele Aktionen, dass man die Leute schon fast mit Mails nerven muss, um das Geld zusammen zu bekommen. Aber ja, wir haben das gemacht und wollten uns dafür etwas Spezielles einfallen lassen. Uns ist das Visuelle bei der Musik immer sehr wichtig. Darum haben wir eine Art Dreiecksbeziehung aufgebaut. Wir haben befreundete Künstler gefragt, ob sie noch bevor die Platte veröffentlicht wird, zum Audioerlebnis eine visuelle Assoziation schaffen möchten. Das haben einige gemacht und die Kunstwerke haben wir dann ausgestellt und verkauft.
Ihr habt auch Wein im Angebot gehabt. Kommt der von eurem eigenen Weingut?
Nein, das leider noch nicht. Wäre aber vielleicht eine schöne Idee, einen eigenen Wein zu erschaffen. Wir haben in diesem Fall einen Wein ausgewählt und konnten eine gewisse Anzahl Flaschen unter unserem Namen herausbringen.
Und als weiteren Aktionspreis hattet ihr Tickets für die Plattentaufe. Wie war die Taufe für dich?
Es war wahnsinnig eindrücklich. Ich glaube, es ist lange her, dass ich so ein Heimspiel hatte. Die Taufe war an einem Ort, an dem sonst keine Konzerte stattfinden, und natürlich sind unsere Freunde und Familien gekommen und es war rappelvoll. Wir haben mit neuen Elementen gearbeitet. Zum Beispiel hatten wir eine neue Beleuchtung von einem Kollegen, der Lichtkünstler ist. Es war durchwegs ein sehr positiver Anlass und alle hatten extrem Freude daran.
Wie geht es 2016 mit Mo Blanc weiter?
Wir sind gerade dabei zu planen. Es sind für Anfang Jahr bereits erste Konzerte geplant und im Sommer kommen sicher noch Festivals dazu. Was im Herbst sein wird, haben wir noch nicht entschieden. Ich denke aber, dass wir schon bald wieder an neuem Material arbeiten werden. Und dann gibt es ja immer noch Restsongs, die es aus diversen Gründen nicht auf die aktuelle Platte geschafft haben. Vielleicht entsteht daraus noch eine EP oder so. Aber ich glaube schon, dass wir bald wieder ins Studio gehen werden.
Vielleicht reicht die Zeit ja, um ans Meer zu fahren.
Wer weiss. Ich bin ständig auf der Suche nach passenden Häusern. Das Problem ist, dass sie aus Holz sein müssen, wegen des Schlagzeugs. Am Meer sind die meisten Häuser aus Stein und wenn man etwas mietet, ohne das Haus zu kennen, kann die Akustik schlecht sein. Das geht zwar zum Üben, aber für Aufnahmen ist der Hall schnell zu extrem. Leider bin ich darum noch nicht fündig geworden, aber das klappt schon noch.
Mo Blanc - Featherlike
- Mehr Infos zu Mo Blanc gibt es auf der Band-Website.
- Das Album «Beauty Spots» ist im Handel erhältlich oder bei iTunes.
- Aktuell gibt es keine Live-Termine, aber Mo Blanc halten die Website aktuell.