Der neue Bandbus in Basel hat einen geilen Trailer auf Wemakeit. Ab 2015 soll er europaweit rollen.Make some noise & support!
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«Was Townes Van Zandt better than Dylan?» fragte vor knapper Zeit der britische Guardian. Besser? Worin? Im Bogenschiessen, im Sackhüpfen? – Eine dumme Frage, die ich persönlich so beanworte: Ich mag Dylan nicht besonders, mag diesen doch recht zerknitterten, windschiefen, mürrischen, humorlosen, altbackenen Mann nicht, der aber dermassen viele coole Songs geschrieben hat, dass man ja danke sagen muss. Zumal ich im selben Monat und Jahr geboren wurde wie «The Times They Are A-Changing» in die Läden kam. Die Zeiten veränderten sich dann tatsächlich (das tun sie immer). Nicht wegen mir. Aber eben: Dylanland, die Dylan’schen Milchstrasse, in der jeder Stern, jeder Asteroid, jeder Eisbrocken nach einem Song des Meisters benannt ist, ist nicht mein Land. Dylan beherrschte als Protestsänger die Funktionsweise der Pop- und Medienmaschine und die Steuerung der protestierenden Massen besser als eine ordentliche Bühnenshow. Dylan als Antizipator der Pop- und Protestkultur der 60er und 70er; ja klar: Dylan als Künstler der Herzen? Nein. Dylan markierte den Outlaw, bis er zu dem wurde, was er schon lange war: Rockstar, nörgelnd und nuschelnd.
Boissy-sans-Avoir
Im Herbst vor einem Jahr zog mich ein fiebriges Virus in ein französisches Dorf namens Boissy-sans-Avoir. Ich erwachte eines Morgens und wusste mit seltener Sicherheit: Da muss ich hin. Ich fuhr los, im Auto, touchierte Paris, das – welch Trost nach all den Jahren! – immer noch existierte und kämpfte mich sechsspurig hupend auf der Stadtautobahn weiter, zurück in die Provinz, mitten in ein aufziehendes Supergewitter, frontal in eine Wolkenbarrikade hinein, die die Landschaft erdrückte. Als das Gewitterinferno losbrach, ein kaltes Dröhnen wie aus Lautréamont-Gesängen zusammengeschraubt, wartete ich im Auto, suchte in der plötzlichen Dunkelheit nach Wegweisern in dieser phantastischen Zufallsarchitektur der französischen Kleinstlandstrassen und als ich endlich ankam, griffen zwei Regenbogen aus der Himmelsküche nach dem Land und knipsten das Licht wieder an. Der Geist, der das Spektakel über Boissy-sans-Avoir heraufbeschworen hatte, war der Geist von Rosemarie Albach, die hier begraben liegt. Zwei Tage lang war ich dann fast allein auf dem Friedhof von Boissy, einem vergessenen Flecken Erde in dieser entleerten Provinz, in der es nichts mehr gibt; keine Läden, keine Post, keine Tankstelle, keine Bar, keine Plakate. Gar nichts. Nur Friedhöfe.
Ikone – oder Mensch
Ob Bob Dylan je als Robert Zimmerman begraben werden wird, weiss ich nicht. Romy Schneider – in allen Dingen das komplette Gegenteil von Dylan – wurde als Rosemarie Albach begraben. In Boissy-sans-Avoir. Man muss das Ding klären, bevor man geht und den Lebenden übrigbleibt: Ikone – oder Mensch.
In all den epochalen Dylan-Songs habe ich oft vermisst: die Seele, die Liebe, Farben, Hingabe, die Schönheit, das Furchteinflössende. Die Dinge des Lebens eben. Bei Townes Van Zandt habe ich all das gefunden, im Menschen, in den Songs. Und nichts mehr davon verloren.
CF
erschienen in LOOP, Musikzeitung, Zürich, Mai 2011.