Simon im Brocki - Fundsachen
Simon Knopf - Ich bin ein klassischer Turnbeutel- und alles Mögliche-Vergesser. Meine Karriere als Sachen-Liegenlasser fing im Alter von etwa vier Jahren an. Damals vergass ich mein Plüschtier in einem Restaurant und eine ganze Hochzeitsgesellschaft mit Reisecar und Konvoi musste wegen meine...
Ich habe schon meine Agenda (danke Frau Ott fürs Zurückschicken), verschiedene Jacken (einmal jagte mich meine Mutter an den Bahnhof, um meine Jeans-Jacke eine Stunde später wieder aus derselben S9 zu holen) und mein Natel in öffentlichen Verkehrsmitteln vergessen (danke an meine schnellen Beine für den Sprint nach Savognin-Dorf).
Mein Brockibesuch in dieser Woche sollte also einen gewissen Therapieeffekt haben, denn ich sitze im Tram Nr. 4 Richtung Fundsachenverkauf. Dorthin, wo der ganze Kram landet, den die Leute im Zug, am Flughafen oder in Flugzeugen so vergessen und nicht mehr abholen.
Wenig später betrete ich den Fundsachenverkauf im ersten Stock eines nüchternen Gewerbehauses und urplötzlich empfinde ich meine Laufbahn des Sachenvergessens als nur noch halb so wild. Der Raum ist voll mit einer Menge und Vielfalt an vergessenem und nicht abgeholten Kram, dass mir die Augenbrauen in die Höhe wandern.
Es hängen, stehen und liegen hunderte von Schirmen und Knirpsen rum. In mehreren Wühltischen und auf Ablagen findet man eine Unzahl von Hüten, Mützen und Kappen. Es gibt Vorhänge voller Schals, Wälder von Ski- und Wanderstöcken und eine schimmernde Wand von Lesebrillen. Auf den Regalen stehen Steinsammlungen, Modellschiffe, ein Dutzend ungeöffneter Bierbüchsen, Besteck, Bücher und eine Packung Babybrei.
Und alles wurde irgendwann, irgendwo und von irgendwem vergessen. Faszinierend! Mehrere Male streife ich durch die Gänge und schaue mir mit grossen Augen an, was Leute alles liegen lassen.
Bei der Limbo der vergessenen Stofftiere überlege ich mir eine Schweigeminute für jene Teddys und Elefanten einzulegen, die es nicht so gut hatten wie mein Plüschhase.
Bei der Vitrine mit den wirklich teuren Sachen frage ich mich, wie man ein Coherent FieldMax Messgerät für 2000.- oder einen Hermès Schal für 1500.- liegen lassen und während Monaten auf keinem Fundbüro abholen kann.
Am Schluss kaufe ich mir für 1.- einen Gemischtbeutel mit beschlagnahmten und vergessenen Toilettenartikeln vom Flughafen. Gut, den „Roll-on Pickel und Mitesser“-Stick, die angefangene Lippenpomade und die eingetrocknete Sonnecreme werde ich vermutlich wegwerfen. Aber dafür habe ich nun einen Mini-Deospray, ein noch ungeöffnetes Colgate Mundwasser und eine Reisekleiderbürste.
Auf dem Nachhauseweg beschäftigen mich zwei Fragen:
1) Könnte man im Fundsachen-Brocki etwas kaufen, es in der SBB liegen lassen und würde es 2 Monate später wieder in den Auslagen des Verkaufes antreffen?
2) Wie zum Henker kann man Krücken liegen lassen?
Denkt einmal ganz genau darüber nach…