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22. Juli 2009, 18:33 Kultur

Rauchverbot in Genf - eine groteske Politposse in acht Akten

Antonio Fumagalli - Auslöschen, neu anzünden und bald wieder auslöschen? Den Genfer RaucherInnen qualmt ob der konfusen Gesetzeslage nicht nur die Zigarette. Unser Autor schildert in acht Kapiteln eine Realsatire, die gleichzeitig auch ein Lehrstück der Schweizer Demokratie ist! Akt I: Das Genf...

Auslöschen, neu anzünden und bald wieder auslöschen? Den Genfer RaucherInnen qualmt ob der konfusen Gesetzeslage nicht nur die Zigarette. Unser Autor schildert in acht Kapiteln eine Realsatire, die gleichzeitig auch ein Lehrstück der Schweizer Demokratie ist!

Akt I: Das Genfer Stimmvolk schwimmt auf der Welle der Anti-Tabak-Bewegung ganz obenauf und nimmt im Februar 2008 mit fast 80% Ja-Anteil eine Gesetzesinitiative an, die in ihrer Nachdrücklichkeit schweizweit ihresgleichen sucht: Das Rauchen wird nicht nur in Bars, Restaurants und weiteren öffentlichen Räumen verboten, den Wirten wird auch das Einrichten von Raucherzimmern, sogenannten „Fumoirs“, untersagt.

Akt II: Angespornt vom überdeutlichen Resultat der Abstimmung will der Genfer Regierungsrat dem Volkswillen so schnell wie möglich Folge leisten und setzt das Rauchverbot per 1. Juli 2008 mit einem Übergangsreglement in Kraft. Die Rhônestädter haben also (vorübergehend) ausgequalmt; begünstigt von den sommerlichen Temperaturen, die das Rauchen auf den Restaurantterrassen erlauben, wird das Verbot ohne grössere Widerstände durchgesetzt.

Akt III: Die Genfer Regierung hat die Rechnung aber im wahrsten Sinn des Wortes ohne die Wirte gemacht, letztere reichen nämlich beim Bundesgericht eine Beschwerde ein und haben damit prompt Erfolg. Die Lausanner Richter werfen dem Regierungsrat die Missachtung der Gewaltentrennung vor – anstatt des eigenmächtigen Übergangsreglements hätte die Exekutive dem Kantonsparlament ein Gesetz vorlegen müssen – und annullieren das Verbot folgerichtig aus formellen Gründen. Good news für die RaucherInnen: Seit dem 1. Oktober 2008, gerade mal drei Monate nach der vermeintlich letzten Zigi in der Bar, darf in Genf also wieder legal gepafft werden.

Akt IV: Während das Genfer Publikum auf die Zusatzvorstellung des Polittheaters wartet, bewegen sich auf eidgenössischer Ebene die Fronten. Der Nationalrat verabschiedet in der Herbstsession eine Vorlage, welche das Rauchen in öffentlichen Räumen zwar grundsätzlich verbietet, aber Lokalen von bis zu 80m² Grösse die Möglichkeit gibt, weiterhin als Raucherbeizen geführt zu werden (sprich: ohne Fumoirs). Allfällige strengere kantonale Richtlinien sind ausdrücklich erlaubt.

Akt V: Am 22. Januar 2009 geschieht im Saal des Genfer Kantonsrats endlich, was schon vor langem hätte passieren sollen. Ein formell korrektes Anti-Raucher-Gesetz wird verabschiedet, in den Augen der Initianten der Gesetzesinitiative von Februar 2008 wird der Sinn ihres Begehrens damit allerdings mit den Füssen getreten: Auf Druck der Ratsrechten wird den Wirten nämlich kurzerhand das Einrichten von Fumoirs gestattet, womit der Initiativtext auf skandalöse Weise missachtet wird. Die Initianten wollen diesen „fehlenden Respekt des Volkswillens“ nicht hinnehmen und das Gesetz vor Bundesgericht anfechten, sobald es verabschiedet ist.

Akt VI: Die Wirte haben nun den Braten gerochen und gehen aufs Ganze. Anstatt sich mit dem ihnen im Vergleich zum Initiativtext schon wohlgesinnten Gesetz zufrieden zu geben, bemängeln sie, dass damit auch kleine Lokale bis 80m² im Bedarfsfall ein Fumoir einzurichten hätten. Sie fordern, dass sich der Kanton Genf dem lascheren Bundesgesetz anpasst (siehe Akt IV) und ergreifen das Referendum. Die dazu erforderlichen 7000 gültigen Unterschriften haben sie dank der tatkräftigen Allianz von mehreren hundert Wirten und Hoteliers schnell zusammen. In der Zwischenzeit wird in den Restaurants und Bars weitergeraucht, was das Zeug hält – ein Zustand, der sich bis zum heutigen Tag nicht geändert hat.

Akt VII: Eine Einzelperson legt gegen das Referendum Rekurs ein, der vom kantonalen Verwaltungsgericht allerdings abgeschmettert wird. Einer Volksabstimmung steht nichts mehr im Weg!

Akt VIII: Am 27. September wird sich das Genfer Stimmvolk also neuerlich zum Thema „Schutz für Passivraucher“ äussern, nur diesmal zu einem Referendum und nicht mehr zu einer Initiative. Dass dies allerdings noch immer nicht das letzte Kapitel dieser grotesk anmutenden Politposse ist, scheint so sicher wie das Amen in der Kirche: Das Initiativkomitee hat den Gang vors Bundesgericht bereits angekündigt (siehe Akt V) und auch die Wirte erwägen im Falle der zu erwartenden Abstimmungsniederlage ebenfalls, die höchste juristische Instanz anzurufen, um den „Minderheitenschutz zu gewährleisten“.

Ein gewisser Lehrbuchcharakter kann dem dargestellten Fall nicht abgesprochen werden: Das Pingpong zwischen Volk, Exekutive, Legislative und Judikative und zwar sowohl auf kantonaler wie auch auf eidgenössischer Ebene deckt eine ziemliche Bandbreite der verschiedenen Faktoren, die im Schweizerischen Gesetzgebungsprozess von Bedeutung sind, ab. Er zeigt aber auch, dass die Mühlen der Helvetischen Politik manchmal etwas gar langsam mahlen – mit teilweise bizarren Auswirkungen auf den Alltag der Bürger.

*Antonio Fumagalli ist in Zürich aufgewachsen und zwecks Studium vor bald fünf Jahren nach Genf gezogen. Er berichtet einmal monatlich „aus der Romandie“.

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