Interview mit Miss Platnum
Silvan Gertsch - Krawallmässig mitten in die Fresse: Miss Platnum ist nichts für den Bio-Laden. Im Interview spricht die deutsch-rumänische Künstlerin über ihr neues Album "The Sweetest Hangover" und über die Zusammenarbeit mit Peter Fox (Seeed) sowie den beiden Balkan-Stars Boban und Marko...
Wie fühlst du dich so kurz vor dem Album-Release?
Miss Platnum: Ich bin freudig erregt, dass es endlich so weit ist. Dass alles fertig ist.
Ein Hangover ist im Normalfall nichts allzu positives. Was ist das Süsse an deinem Album?
Du hast recht, die meisten Hangover, die ich kenne, sind tatsächlich nicht allzu positiv. Aber der Titel ist eine Reminiszenz an die grosse Feierstimmung, die auf dem letzten Album promotet wurde. Mit vielen Songs die krawallmässig in die Fresse gingen. Jetzt ist leichte, süsse Erschöpfung eingekehrt. Auf meinem neuen Album spiegelt sich die Freude über das wider, was ich mit meinem letzten erreicht habe und was ich seither erreicht habe.
Hängt der Titel auch damit zusammen, dass ein Hangover etwas ist, das nachwirkt. Etwas, was du mit deiner Musik auch erreichen willst?
Wenn man einen Hangover hat, schwankt man immer zwischen Euphorie und Melancholie. Man taumelt. Das passt total zum Album, zur Balkanmusik. Dieses total dramatische, traurige ist immer ganz nah an dieser unglaublichen Feierlaune, die meine Musik mit sich bringt. Und das habe ich noch runder zusammengepackt.
Peter Fox hat Regie geführt bei deinem Video...
... Nein, wir haben noch nicht geheiratet. (lacht)
Ihr seid schon lange befreundet. Wie habt ihr euch kennen gelernt?
Über die Seeed-Jungs. Einer meiner Produzenten war früher bei Seeed und durch ihn habe ich die ganzen anderen Jungs kennen gelernt. Zuerst bin ich Pierre [Anm. d. Red. Peter Fox] auf Partys begegnet. Dann habe ich Sachen für Seeed und für ihn eingesungen und er hat auf meiner Platte mitgewirkt.
Wie hast du ihn dazu gebracht, das Video zu "She Moved In" zu drehen?
Für mich war von Anfang an klar, dass er das drehen muss. Schon bei meinem alten Album hat er gesagt, dass er gerne mal ein Video von mir drehen möchte. Deswegen war ich überzeugt, dass er das machen muss.
Du kämpfst dagegen, dass man dich in die Schublade Weltmusik steckt. Aber auf "The Sweetest Hangover" hats doch wieder viele multikulturelle Einflüsse drauf. Ganz loslösen von der Weltmusik kannst du dich also nicht.
Naja. Es ist meiner Meinung nach schon ein Unterschied, ob man an einem Weltmusik-Festival spielt oder an einem modernen Festival, wo Pop, Electro oder Hip-Hop gespielt wird und wo meine Musik auch funktioniert. Der Begriff Weltmusik hat was fades und riecht irgendwie nach Bio-Laden. Meine Musik und ich als Mensch, wir sind sehr modern. Es ist eher eine neue Musikrichtung, die entstanden ist.
Das Album hast du unter anderem auch in deiner Heimat Rumänien aufgenommen. Wieso?
Weil sich das Haus, das meine Eltern dort gebaut haben, gut eignet, um sich zurückzuziehen. Dort gibt es kein Internet. Deshalb konnten wir uns aufs Songschreiben und Musikmachen konzentrieren. Und vom Flair profitieren, das dort herrscht.
Wie viel Deutschland und wie viel Rumänien stecken in deinem Album?
Im Album steckt ganz viel Berlin – was aber nicht für ganz Deutschland repräsentativ ist. Da steckt aber auch ganz viel Rumänien oder Balkan im Allgemeinen drin. Boban und Marko Markovic stecken auch drin. Da stecken viele Einflüsse drin – multikulturelle, wenn du es so willst.
Boban und Marko – kanntest du die beiden schon vorher?
Ja, aber ich habe noch nie mit denen zusammengearbeitet. Das sind Stars in ihrer Szene. Mir war auch die Sprachbarriere bewusst. Ich spreche kein serbisch und sie kein englisch. Trotzdem hat es total gut funktioniert. Für sie war es spannend, mal zu moderner Musik was zu spielen. Und für mich war es interessant zu sehen, wie sie auf meine Demobeats und Songideen reagieren. Trotz grossem Zeitdruck hat alles super geklappt.
Ihr habt euch gleich von Anfang an blind verstanden?
Auf jeden Fall. Zuerst haben wir Sachen abgearbeitet, die wir unbedingt umsetzen lassen wollten – Dinge, die sie nachspielen mussten. Aber dann haben sie sich auch kreativ eingeben können. Marko selber ist ja noch jünger als ich, der konnte sich sehr gut mit meiner Musik identifizieren.
Bist du in Rumänien bekannter als in Deutschland?
Ich war zumindest in den Charts in den Top Ten. Aber ich bin viel zu selten dort, um das wirklich beurteilen zu können. Die Presse hat viel über mich geschrieben. Das war jedoch in Deutschland auch der Fall. Der Markt ist halt einfach kleiner als in Deutschland. Und es gibt weniger Konkurrenz.
Hättest du auch Musik gemacht, wenn du in Rumänien geblieben wärst?
Das weiss ich nicht. Möglich ist es schon, aber in welche Richtung ich gegangen wäre, kann ich nicht sagen. Dass ich nach Deutschland gezogen bin, hatte einen grossen Einfluss auf meine Musik. Weil ich mich von meinem Umfeld beeinflussen lasse und weil auch meine Produzenten, The Krauts, einen wichtigen Teil beitragen.
Du wirst in deiner Biographie als Live-Event beschrieben. Wieso?
Naja, ich nehme mal an, dass es dabei um die Konzerte geht. Die sind nicht so normal, wie man sie sich vorstellt. Sie sind als Show aufgebaut, mit Übergängen, Showeinlagen und Tanz. Aber es hat auch Platz für Improvisation. Mir ist es wichtig, visuell eine Show zu bieten. So was gucke ich mir lieber an, als wenn sich jemand in Jeans und Shirt auf die Bühne stellt und dann je nach Tagesform was runterleiert. Ich freue mich schon, wenn es so gross ist, dass ich mit Licht und allen möglichen Sachen arbeiten kann. Spätestens dann bin ich auf jeden Fall ein Live-Event. (lacht)
Bilder: Armin Morbach
Miss Platnum live: 22. November im Salzhaus, Winterthur.