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2. Oktober 2009, 09:32 Movie

The Merry Gentleman @ Zurich Film Festival

Christina Ruloff - Ein grossartiger Film – und eine visuelle Eröffnung! Michael Keaton kann nicht nur schauspielern, er kann vor allem hervorragend Regie führen. The Merry Gentleman lief leider nur als „Out of Competition“-Premiere. Ansonsten hätte er verdientermassen jeden Preis am Zurich...

Ein grossartiger Film – und eine visuelle Eröffnung! Michael Keaton kann nicht nur schauspielern, er kann vor allem hervorragend Regie führen. The Merry Gentleman lief leider nur als „Out of Competition“-Premiere. Ansonsten hätte er verdientermassen jeden Preis am Zurich Film Festival gewonnen.

Kate Frazier kommt mit nur einem Koffer in Chicago an. Sie ist vor ihrem gewalttätigen Ehemann geflohen und versucht sich nun als Telefonistin ein neues Leben aufzubauen. Sie will sich an den kleinen Dingen festhalten, an dem Schnee, der hoffentlich bald vom Himmel fällt, oder an einem Weihnachtsbaum. Denn sie fragt sich die ganze Zeit, ob und wann ihr Ehemann sie finden wird. Zu allem Überfluss wird sie von ihren Arbeitskollegen ständig gefragt, woher sie ihr blaues Auge hat. Und ihre hilflosen Notlügen glaubt ihr ohnehin niemand. Da sieht sie eines Abends einen Mann auf dem Dach gegenüber, der sich anheischig macht, runterzuspringen. Sie schreit vor Entsetzen – und rettet ihm so das Leben. Der Mann heisst Frank Logan, ist Berufsmörder und beginnt sich für Kate zu interessieren.

Nach der Filmvorführung gestern Abend ist Michael Keaton, der Frank Logan gespielt und die Regie geführt hat, aufgetreten. Er hat unter tosendem Applaus die begeistertsten Zuschauer abgeküsst und auch sonst den Kasperli rausgehängt. Auf seine Einflüsse angesprochen, zog er die Demutsmasche ab und erklärte pflichtschuldig Soderbergh und Tim Burton und Schlesinger grossartig zu finden. Und man hätte ihn gerne darauf hingewiesen, dass Out of Sight ohne Jennifer Lopez und George Clooney und vor allem ohne die klasse Romanvorlage von Elmore Leonard nie Erfolg gehabt hätte. Denn Erfolg ist der einzige Massstab und der ausbleibende Erfolg von The Merry Gentleman in den USA (er hat wohl nicht einmal einen Zehntel seines geschätzten fünf Millionen Budget eingespielt) wird wohl dafür sorgen, dass wir nie wieder einen Film von Michael Keaton sehen werden.

Dabei muss dieses Regiedebüt einfach nur stumme Bewunderung erregen. Der Film erzählt von Menschen und ihren Schwierigkeiten, sich irgendwie durchs Leben zu bringen; von der traurigen, aber alltäglichen Einsamkeit; von einer zufälligen Bekanntschaft, die plötzlich wichtig wird. Und der Film ist vor allem filmisch – er lässt die Bilder erzählen. Keine noch so präzis ausformulierte Inhaltsangabe und nicht einmal die hervorragenden, nuancierten und sehr sparsam eingesetzten Dialoge können auch nur annährend ersetzen, was wir dank der Visualität dieses Filmes über die Figuren erfahren. Da ist Film plötzlich mehr als nur verfilmtes Hörspiel. Da werden Ton, Wort und Bild eins und wir sind im Film, in Chicago, bei diesen Menschen und erleben alles mit. Keine einzige Kameraeinstellung ist überflüssig oder gewollt, jede dient der Geschichte und schafft Stimmung und Atmosphäre. Da wird für einmal die ganze Leinwandbreit ausgenutzt. Und man kriegt eine Ahnung davon, mit was für unfilmischem, avisuellem und oberflächlichem Unfug man sich üblicherweise die Zeit totschlägt.

The Merry Gentleman ist beeindruckend, berührend, wunderschön anzuschauen und doch sehr, sehr ehrlich. Der Film endet nicht, wie Filme es zu pflegen tun, weil sie eben Filme sind. Er bleibt auch in den letzten Minuten sich selbst treu, und zeigt, dass es im Leben nicht immer ein Happy Ending gibt, aber auch nicht alles in einer grossen Katastrophe zusammenbricht. Das Leben geht halt irgendwie weiter und die Menschen leben weiter, weil sie ja müssen.

The Merry Gentleman möchte man unbedingt nochmals auf der grossen Leinwand sehen und geniessen. Wenn dieser Film doch einen Verleih in der Schweiz finden würde! Dass im November in den USA die DVD erscheint, ist immerhin ein kleiner, kleiner Trost.

Kommentare
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Argosasas
Argosasas 02.10.2009 um 12:10
Absolut! Ein sehr subtiler, ehrlicher und dadurch sehr berührender Film. Schlicht grossartig.