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22. Oktober 2009, 23:25 Kultur

Ein kultiger Abend mit Margaret Atwood

Michaela Lischer - Margaret Atwood, die derzeit wohl berühmteste Autorin Kanadas, hat auf ihrer Lesereise im Zürcher Kaufleuten halt gemacht, wo sie aus ihrem neusten Roman, „Das Jahr der Flut“ (Berlin Verlag 2009) las – und sang. Die Schauspielerin Graziella Rossi, aktuell in „Die Penelo...

Margaret Atwood, die derzeit wohl berühmteste Autorin Kanadas, hat auf ihrer Lesereise im Zürcher Kaufleuten halt gemacht, wo sie aus ihrem neusten Roman, „Das Jahr der Flut“ (Berlin Verlag 2009) las – und sang. Die Schauspielerin Graziella Rossi, aktuell in „Die Penelopiade“ von Margaret Atwood auf der Bühne zu sehen, las die deutsche Übersetzung. Mit „Der Report der Magd“ ist Margaret Atwood bekannt geworden, „Das Jahr der Flut“ ist als parallel handelnde Erweiterung von „Oryx und Crake“ zu lesen und führt ihre Reihe dystopischer Romane fort.

Hoch über den Dächern der Stadt kultivieren die „Gärtner Gottes“ in paradiesartigem Setting ihr Gemüse. Bei ihnen findet die junge Toby Zuflucht, nachdem sie durch die Maschen der Gesellschaft gefallen ist, die von einer militärisch aufgebauten Wirtschaftsorganisation regiert wird. Die „Gärtner Gottes“ sind Umweltaktivisten der fortgeschrittenen Art. Schmunzelnd erklärte Margaret Atwood, diese würden sich nur dadurch von heutigen „ecologists“ unterscheiden, dass sie bereits eine Theologie entwickelt hätten und über eigene Heilige – einer von ihnen ist Sankt Mendel – verfügten. Die Autorin rundete das Bild der Öko-Sekte dadurch ab, dass sie singend deren "Hymne an die kleinen Tiere" vortrug.

In liebevoller Kleinarbeit entwirft Margaret Atwood eine Welt, in der Bakterien Teil einer „polyphonic symphony of creatures“ sind und die mit Tieren bevölkert ist, welche, wie das Schwein, das ersatzteillagerartig menschliche Organe in sich trägt, durch Genverschmelzung entstanden sind. Der Menschheit aber sagt sie wenig Erfreuliches voraus. Diese wird durch eine „wasserlose Flut“, eine Pandemie, drastisch dezimiert. Womit beschäftigt sich eine Autorin, die sich ein solches Szenario ausdenkt, wenn sie gerade nicht schreibt? Das wollte auch Thomas Bodmer (Tagesanzeiger) im anschliessenden Gespräch wissen. Dem erstaunten Publikum erklärte die Literaturwissenschaftlerin Margaret Atwood also, dass sie gerne naturwissenschaftliche Fachzeitschriften wie „Scientist“ oder „Nature“ lese. Da sie für die Menschheit eine derart düstere Perspektive entwirft, diese aber mit einer gehörigen Prise Witz anreichert, schien die Frage angebracht, ob man sie denn als „cheerful pessimist“ bezeichnen könne. Dem hielt sie entgegen, dass jemand, der ein Buch schreibt, wohl schwerlich ein Pessimist sein könne. Schliesslich müsse man ja daran glauben, dass die Leute es kaufen und mögen würden. Das Publikum lachte. Und Margaret Atwood fuhr unbeirrt fort: Wenn man Bücher schreibe, glaube man, dass Kommunikation zwischen Menschen möglich sei – und dazu gehöre doch ein ziemliches Stück Optimismus.

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