Adam Green: Mag Lady Gagas Kleider
Philipp Ramer - Der New Yorker Anti-Folk-Star sprach in Zürich mit students.ch.students.ch: Adam, deine beiden letzten Alben Jacket Full Of Danger und Sixes and Sevens waren ziemlich bombastisch instrumentiert: du arbeitetest mit Streichern, Bläsern und Gospelsängern zusammen. Weshalb hast du...
students.ch: Adam, deine beiden letzten Alben Jacket Full Of Danger und Sixes and Sevens waren ziemlich bombastisch instrumentiert: du arbeitetest mit Streichern, Bläsern und Gospelsängern zusammen. Weshalb hast du dich entschieden, damit zu brechen und auf der neuen Platte einfache Folksongs einzuspielen, nur von Gitarre, Bass und Perkussion begleitet?
Adam Green: Well, das war eine stufenweise Entwicklung. Mit Sixes and Sevens habe ich mich von der Cabaret-Musik entfernt, das war der erste Schritt. Eigentlich hätte die Platte eine Art Homerecording-Album werden sollen, ich wollte arbeiten wie früher, nur mit einem Vierspurgerät. Letztlich habe ich das aber überhaupt nicht getan, ich habe Gospelsänger und Streicher eingesetzt... Aber es gab einige Lieder wie Exp. 1 oder Rich Kids, die bereits in diese Richtung wiesen. Und nun habe ich mit einem anderen Produzenten gearbeitet, an einem anderen Ort, in Los Angeles, nicht in New York. Ich wollte alle Instrumente selbst einspielen, auch das Schlagzeug – das war wohl schliesslich der Hauptgrund für das musikalische Ergebnis. Weisst du, ursprünglich hatte ich eine handvoll Visionen für die neue Platte: In einer davon sah ich mich auf einer Couch sitzen, mit Sonnenbrille und einer elektrischen Gitarre, die ich so laut spielte, dass es mir die Haare nach hinten blies (lacht). Naja, es ist nicht so gekommen. Aber mein nächstes Album wird ein Metal-Album. It’ll knock your socks off!
Lässt du dir dafür die Haare wieder wachsen?
Adam: Ja, aber nicht zu lang. Das mag ich nicht. Die Typen von Judas Priest hatten doch auch kurze Haare?
Steve Mertens (Adams Bassist): Nur der Sänger.
Adam: Stimmt, der hatte eine Glatze. Vielleicht rasiere ich mir den Kopf und ihr Jungs lasst euch lange Haare wachsen? (lacht)
Steve: Geht klar.
In einem Interview anfangs Jahr hast du Bedenken geäussert, die neuen Songs live zu spielen, da sie zart und fragil seien, und da ein Konzert Rock’n’Roll sein müsse. Wie hat es denn bis jetzt auf Tour geklappt mit dem neuen Material?
Adam: Ich habe herausgefunden, dass ich bei den neuen, langsamen Liedern für jede einzelne Note eine Körperbewegung machen und die Lieder so visuell illustrieren kann. Ich bin eigentlich eher eine Macho-Ballerina als ein Rock-Sänger! (lacht) Ich muss also einfach mehr Körper-Einsatz geben, dann funktioniert’s.
Habe ich Recht mit der Vermutung, dass du live vor allem unterhalten möchtest und auch gerne herumalberst, dass du das eigentliche Musikmachen, das Songwriting aber sehr ernst nimmst?
Ja. Die Leute ahnen das vielleicht nicht, aber ich empfinde das Songschreiben als sehr intensive, aufzehrende Aufgabe. Ich habe auch den Anspruch, Songs zu schreiben, die ein Kunstwerk sind, wie ein Gemälde. Was die Live-Performance angeht, versuche ich, gewisse Teile der Show eher künstlerisch zu gestalten, andere dafür schweisstreibend oder lustig. Es ist sehr wichtig, da eine gute Balance zu finden... An meinem letzten Konzert in St. Gallen zum Beispiel war ich viel zu betrunken dafür, darum war es schlecht.
Wirst du dich heute Abend also nicht betrinken?
Doch, aber nicht so sehr. Weisst du, es ist ein grosser Unterschied ob du vor der Show vier Bier trinkst oder acht Bier... Das heisst, eigentlich sind die Whiskey-Shots das Problem, bei denen merke ich einfach nicht, wie schnell ich betrunken werde...
Zuvor hast du erwähnt, dass deine Lieder wie Gemälde sein sollen. Du malst selbst neben dem Singen auch, richtig?
Yeah, ich habe kürzlich sechs Monate lang nur gemalt und keine Musik gemacht.
Gilt dir die Malerei als anderer Weg, dich künstlerisch auszudrücken?
Ja, aber ich bin da noch lange nicht am Ziel angekommen... Nun, das ist ja das Schöne daran, ein Hobby zu haben, du bist nicht darauf angewiesen. Weisst du, ich habe zusammen mit einem Freund angefangen zu malen. Das Lustige ist, er sagt, je mehr wir malen, desto schlechter werden wir. Und ich glaube, er hat Recht!
Also wirst du die Bilder nicht verkaufen?
Doch, ich werde sie verkaufen, und der Grossteil des Profits wird an karitative Projekte gehen, ich denke nach Haiti.
Vor ein paar Jahren hast du auch einen kleinen Gedichtband veröffentlicht. Hast du vor, wieder einmal ein Buch zu schreiben?
Ja, ich möchte ein Buch darüber schreiben, wie man sich schlecht benimmt. Aber zurzeit möchte ich mich einfach darauf konzentrieren, Songs zu schreiben, ein Musiker zu sein. Man lässt sich zu schnell ablenken und verzettelt sich.
Klar. Was für Musik hörst du denn zurzeit am liebsten, welche ist deine Lieblings-Band?
Hm, ich mag Little Joy... Es gibt im Moment eine ganze Szene von Independent-Folk- und Punk-Bands in New York; ich mag The Shining Twins, The Dirty Fences, Baby Fangs... Ich versuche, ihnen allen Plattenverträge zu verschaffen, aber ich weiss nicht, ob es klappt. Ich möchte auch für meinen Freund Ish Marquez ein Label finden. Er wird ein paar Konzerte mit uns in Frankreich bestreiten und ist einer der besten Sänger, die ich kenne. Besonders seine alten Aufnahmen klingen einfach unglaublich...
Was hältst du von aktuellen Pop-Superstars wie Lady Gaga?
Lady Gaga... Ich mag ihre Kleider. Ich mag Ke$ha! (lacht) Sie ist eine echt nette Person... Ich weiss nicht. Ich hab mich nie mit Justin Timberlake identifiziert. Ehm... Britney Spears? Love it. Aguilera? Pretty good. Pink? Nah... Ich mag einige frühe Sachen von Madonna, die klingen irgendwie so anrüchig...
Du hörst also solche Musik?
Ich seh zu all diesen Leuten auf, weisst du... Am meisten wegen ihrer Kleidung.
Wie stehst du zu Musik-Piraterie?
Du kannst nichts dagegen tun, es hat keinen Zweck, sich gross damit zu befassen... Ich muss sagen, ich bin ziemlich ausgeflippt, als ich eine frühe Raubkopie meines neuen Albums heruntergeladen habe: Die Soundqualität war miserabel, wie wenn jemand ein Mikrofon an einen Computerlautsprecher gehalten hätte. Ich konnte es nicht glauben. Ich wünschte, ich könnte wenigstens die Soundqualität der Raubkopien beeinflussen, damit die Leute die Musik kriegen, die ich ihnen geben will...
Macht es für dich einen Unterschied, ob du in der Schweiz, in Deutschland oder in Frankreich spielst?
Nein, eigentlich nicht. Ein Konzert ist ein Konzert, ein Club ist ein Club, es ist einfach ein Raum mit einer Bühne... Aber ich mag es schon, verschiedene Länder zu bereisen, ich freue mich zum Beispiel sehr auf Italien.
Hast du denn Gelegenheit, dir die jeweiligen Städte anzusehen, in denen du spielst?
Nun, heute hatte ich keine Zeit dazu, aber ich war ja schon ein paar Mal in Zürich und hab verschiedene Teile der Stadt gesehen... Ich erinnere mich noch ans erste Mal, als wir hierher kamen: Wir parkten den Bus, ich stieg aus, und da war ein splitternackter Mann, der unter einem Baum eine Pfeife rauchte! Das wird für immer mein Bild der Schweiz sein!
Adam, vielen Dank für dieses Gespräch.
Wenige Stunden nach dem Interview tritt Adam Green mit Band im ausverkauften Zürcher Mascotte auf. Von Cabaret und Crooning fehlt tatsächlich jede Spur: Green trägt eine nietenbesetzte Lederjacke auf nacktem Oberkörper zu Jeans, und legt ein waschechtes Rock-Set inklusive dreimaligem Stagediving hin. Wer nun aber fürchtet, dies sei ein erster Schritt in Richtung Metal-Album, sei versichert: Der wilde Rocker ist blosse (Bühnen-)Pose. Die Plattenfirma würde ihm ein Hardrock-Projekt ohnehin verbieten, sagt Green noch am Nachmittag, und grinst, er sei den Bossen absolut ergeben: "I fucking suck corporate cock, man!"