23. März 2010, 11:24 Kolumnen

„Isch da no frei?“ die rethorische Frage meinerseits. Sie klammert sich reflexartig an ihren Aargaueranzeiger, dessen Sonntagsausgabe ihre Knie schmückt (es ist Mittwoch) und starrt mich wortlos an. Guten Willens deute ich dies als Ja und setze mich. Und schon ist die Schiessscharte wieder verriegelt und sie ist hinter der Mauer dünnen Papiers verschwunden. Ihre Augen sind hinter der zweifarbigen Brille verschanzt, doch reagiert sie auf jeden Wank meiner Person mit einer Körperhaltung, die mir sagt dass ich störe. Akribisch erspäht sie wohl jeden einzelnen Buchstaben auf jeder Seite ihrer Zeitung (mitsamt Kontaktanzeigen und Werbeslogans) und ihre hochgezogenen Augenbrauen und die zugekniffenen Lippen verheissen nichts Gutes.Spätestens wenn sie dann langsam und bedächtig ihre Brille zurecht schiebt, läuft mit kalter Schweiss denn Rücken hinunter, wenn ich mir vorstelle, was in dieser Zeitung alles stehen mag.

Und da ist es passiert. Mein Fuss hat ihren Befürchtungen wohl folge leistend, den supersauberen Sitz neben ihre gestreift. Umgehend rückt sie alle darauf liegenden Taschen zurecht und ich fürchte schon eine Ohrfeige zu kassieren. Da endlich erklingt die Zugsansage, befreiend wie ein Pausengong und hastig, möglichst keinen Sitz berührend, verlasse ich wieder die Pforten ihrer Festung.