Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

16. Dezember 2007, 14:30 Music Kultur

Review: Tartuffe @ Schauspielhaus

Robert Salzer - Zürich wird tartuffisiert – tosender Applaus bei der Premiere im Pfauen.Dem Hause Orgons scheint es nicht schlecht zu gehen. Es stehen Bier- und Champagnerflaschen herum, wohl von der Party der letzten Nacht, und die Wände sind silber-grau angestrichen. Doch der Schein trü...

Zürich wird tartuffisiert – tosender Applaus bei der Premiere im Pfauen.

Dem Hause Orgons scheint es nicht schlecht zu gehen. Es stehen Bier- und Champagnerflaschen herum, wohl von der Party der letzten Nacht, und die Wände sind silber-grau angestrichen. Doch der Schein trügt. In die gutbürgerliche Familie hat sich ein schwarzes Schaf eingeschlichen (passend zur Bundesratswahl, die wie es der Zufall will am gleichen Tag wie die Premiere stattfand – zu viel sei hier nicht verraten), nämlich Tartuffe. Familienvater Orgon hat den sich als Bettler ausgebenden Mann bei sich daheim einquartiert und tut, was immer dieser von ihm verlangt. Dies gefällt dem Rest der Familie gar nicht. Sie misstrauen Tartuffe und wollen diesen so schnell wie möglich aus dem Hause jagen. Dass Orgon Tartuffe, um ihn ewig an sich zu binden, seiner Tochter Mariane, die bereits Valère versprochen ist, zur Frau geben will, trägt nicht zum Hausfrieden bei. Hilfe sieht die Familie in der Tatsache, dass Tartuffe in Orgons Gattin Elmire verliebt zu sein scheint. Als Damis, der Sohn, den falschen Bettler bei Orgon anschwärzt, zeigt Tartuffe Reue und schlägt seinen Kopf auf den Boden bis er blutet. Dem Familienvater imponiert dies und in einer Racheaktion überschreibt er sein ganzes Vermögen Tartuffe. Ob es der Familie gelingt, dies zu verhindern, müsst ihr selber herausfinden.

Matthias Hartmanns Inszenierung spielt in der heutigen Zeit. Alle Figuren sind auf ihre Art und Weise überzeichnet. Elmire, gespielt von Corinna Kirchhoff, ist tablettensüchtig und scheint immer etwas geistig abwesend zu sein. Cathérine Seiferts Mariane wird als einkaufswütiges Goldküstenchick dargestellt, während ihr Verlobter Valère ein fettleibiger Gangsterrapper ist. Damis, gespielt von Jörg Pohl, kommt als pubertierender, gepiercter Schläger daher. Orgon (Tilo Nest) ist sehr nahe am Wasser gebaut und weint selbst wenn er Tartuffe als Betrüger entlarven kann. Michael Maertens spielt Tartuffe sehr glaubwürdig und verzichtet darauf, ihn ähnlich schleimig zu machen wie als Parasit in Schillers gleichnamigem Stück in der letzten Spielzeit.Die manchmal etwas langen und durch Molières Reimsprache erschwert verständlichen Dialoge, werden durch die Schauspieler gekonnt vorgetragen. Die zweite Hälfte des Stücks entschädigt für die etwas zahme erste Hälfte.

Alles in Allem ein gelungener Theaterabend. Zürich ist tartuffisiert.

Photos: Copyright Leonard Zubler, 8053 Zürich
Kommentare
Login oder Registrieren