The least working girl in show business - Interview mit Uffie
Philipp Ramer - Was wurde nicht alles geschrieben über die Sängerin und Rapperin Uffie (bürgerlich: Anna-Catherine Hartley), als sie 2006 mit der verqueren Single Pop the Glock einen internationalen Club-Hit landete. „Pop-Diva“, "Indie-Queen", „Rap-Göre“: kein Musikmagazin, kein Audi...
Uffie, als Erstes möchte ich wissen, was es mit deinem Künstlernamen auf sich hat…
Das ist eigentlich ein Spitzname, den mir mein Vater gegeben hat. Oeuf bedeutet Ei auf französisch, und mein Dad nannte mich Uffie, seit ich vier Jahre alt war. Er sagte nur dann Anna zu mir, wenn es Ärger gab! (lacht)
Zweite, etwas langweilige Frage: Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Hm... Sie ist verschiedenartig, da sie davon abhängt, was ich fühle, wenn ich ein Lied schreibe. Die Leute wissen das nicht, aber ich mag Punk genauso wie Electro oder Hip-Hop. Meine Musik ist eine Mixtur dieser Stile. Feadz [Produzent und Ex-Freund, Anm.d.Verf.] steht total auf Hip-Hop, Mirwais [Produzent] mehr auf Rock; auch deshalb fallen die Stücke unterschiedlich aus.
Auf Wikipedia heisst es, deine Musik sei eine Kombination der Genres Synthpop, French House, Electro Hop, Nu-disco, Rap, Indie Dance und Club Music.
Das sind aber viele Genres! (lacht)
Allerdings. Würdest du dieser Beschreibung zustimmen?
Ich weiss nicht. Ich sehe eigentlich nicht ein, weshalb Musik immer denselben Genres zugeordnet werden muss. Ich denke, heutzutage machen die meisten Künstler Songs, die nicht mehr in diese Schubladen passen. Vielleicht sollte man mal neue Genre-Bezeichnungen erfinden! (lacht)
Siehst du dich selbst mehr als Sängerin oder als Entertainerin?
Ich bin bestimmt mehr Live- als Studiomusikerin. Ich habe meine ersten Songs für die Bühne geschrieben und habe auf jeden Fall mehr Erfahrung mit Live-Auftritten als mit Studioarbeit. Langsam lerne ich aber auch das Studio zu schätzen…
Ich frage dich das, weil du im Lied Our Song behauptest, du könnest nicht singen...
Yeah. Anstatt mich wie die meisten Rapper furchtbar ernst zu nehmen und selbstverliebt zu geben, finde ich es eben interessanter und erfrischender, mich über mich selbst lustig zu machen. Ich bin keine ausgebildete Sängerin, mir geht es einzig darum, Spass zu haben.
Im Internet habe ich gelesen, deine jüngsten Live-Performances seien mit denen von Künstlern im Umfeld Andy Warhols zu vergleichen…
Ja, das habe ich auch gelesen, kinda weird! (lacht)
Das ist also kein Vergleich, den du anstrebst?
Nein, ich habe keine Ahnung, woher das kommt! Es ist sehr schmeichelhaft, aber ich kann es mir überhaupt nicht erklären!
Aber bist du grundsätzlich interessiert an der Synthese von Musik und visueller Kunst?
Ja, das ist ein Bereich, mit dem ich mich sehr gerne näher befassen würde. Im Moment hab ich aber noch nicht mal Visuals in meiner Show, mir fehlte bislang schlicht die Zeit dazu…
Wie wichtig sind dir die Plattencover?
Sehr wichtig. Alles, was mit imagery, mit Bildersprache zu tun hat, Cover, Kleider, sind Wege, sich auszudrücken und zu präsentieren.
Entsprechend spielt auch das Aussehen der Künstler eine grosse Rolle.
Ja, das ist superwichtig. Ich behaupte, bei Mainstream-Künstlern macht das Aussehen 90% des Erfolgs aus! (lacht) Da man Mainstream-Musik überall kaufen kann und sie möglichst viele Leute ansprechen muss, ist es unerlässlich, dass die Interpreten ein wirkungsvolles Image aufbauen. Die Leute müssen sich daran erinnern und damit identifizieren können.
Präsentierst du dich und modelst du auch gerne? Ich hab im Internet ein paar beeindruckende Bilder gesehen…
Ich modele nicht, das ist Promo! (lacht) Für mich hat das nichts mit Musik zu tun. Klar macht es mir als Mädchen Spass, tolle Kleider anzuziehen und darin rumzuhpüfen, aber letztlich ist es einfach ein Teil des Deals. Diese Promo musst du machen, egal ob du Schauspieler, Musiker oder was auch immer bist. Die Musik ist mir viel wichtiger.
Wie gestaltet sich dein Leben zurzeit, wo ziehst du die Grenze zwischen Uffie, der Künstlerin und Anna-Catherine, der Privatperson?
I haven’t worked it out yet. Momentan ist mein Leben ein ziemliches Chaos. Die Hälfte der Woche sind wir auf Tour und gehen aus bis sechs Uhr früh, die andere Hälfte bin ich zuhause und stehe um sechs Uhr auf, um mich um meine Tochter zu kümmern. Jede Woche ist wieder anders, ich befinde mich stets auf der Schwelle zwischen Tour- und Privatleben.
In deinen Lyrics geht es um Parties und Drogen, aber auch um deine Popularität und persönliche Themen…
Ja, meine Musik ist mein Tagebuch.
Hast du da keine Angst, zuviel von dir preiszugeben?
Ich weiss nicht, es hängt davon ab, was dir wichtig ist… Musik ist für mich eine Art Therapie; wenn mich etwas beschäftigt, verarbeite ich es zu einem Song. Ich schreibe meine Musik für mich selbst und überlege dabei nicht, dass die Leute es hören werden… Ich glaube allerdings, dass die gar nicht so genau hinhören und merken, worum es geht! (lacht)
Dein Album heisst Sex, Dreams and Denim Jeans. Steht das für den Lebensstil unserer Generation aus deiner Sicht?
Well, das Album entstand binnen dreier Jahre und wurde, wie gesagt, zu einer Art Tagebuch meiner Jugend… Sex ist nun mal ein sehr wichtiger Teil unserer Adoleszenz, Denim ist ein Stoff, der mir gefällt, und irgendwie passte das alles einfach zusammen, ich weiss auch nicht… (lacht)
Wie stehst du zu Musik-Piraterie?
It’s bad. (grinst) It’s very bad. Mir macht’s nicht so viel aus, wenn Leute meine Singles runterladen, aber ich finde, man sollte für Alben bezahlen. Ein Künstler steckt viel Arbeit in eine CD, das sollte man respektieren und die Musik, die man mag, kaufen. Wenn Leute nur noch downloaden würden, würden wir keine Platten mehr machen…
Lädst du selbst nie Musik oder Filme runter?
Nein!
Wirklich nicht?
(leise) Occasionally… (lacht) Naja, wenn ich einen Track sofort hören möchte und keine Zeit habe, die Single kaufen zu gehen… Wir laden ja alle runter… Aber ich kaufe auch Alben!
OK. Ich nenne dir jetzt die Namen einiger Musikerinnen und du sagst mir, was du zu ihnen denkst. Ke$ha werde ich nicht erwähnen…
(lacht laut) That’s very nice of you!
Lady Gaga.
Sie ist definitiv ein Marketing-Genie. Wie sie sich etabliert hat – wir haben zuvor über Image gesprochen – ist schlicht genial. Ihre Musik mag ich nicht besonders, aber ich respektiere sie als Künstlerin.
Katy Perry.
I think she’s awesome! Sie ist supersüss, heiss und sie hat dem Girl-Pop eine gewisse edge verliehen.
Lily Allen.
Die mag ich auch sehr gerne. Ich kann mich an ihr Lied Smile erinnern… Ich finde, sie ist ein bisschen das Emo-Kid unter den Pop-Girls… Sie hat eine tolle Attitüde.
Kate Nash.
I love Kate Nash. Es ist lustig, ihr Musik ist völlig anders als meine, aber ich schätze sie sehr... Vor allem wegen der Lyrics, die einen gewissen Stolz vermitteln, das macht viel Spass.
Kate Nash und Lily Allen gelten als Aushängeschilder einer neuen Generation emanzipierter Popsängerinnen. Siehst du dich auch in dieser Tradition?
Ja, in gewissem Sinne; das sind alles Mädchen mit einer eigenwilligen ‘I don’t care’-Einstellung, das gefällt mir.
Glaubst du wirklich, dass du das least working girl in show business bist, wie es in MCs Can Kiss heisst?
(lacht) Oh my god, people keep throwing that in my face!
Ich mein ja nur, mit dem Touren, den Shows und Interviews, das klingt doch eigentlich ziemlich stressig…
Ja, jetzt ist es schon stressig, aber damals, als ich das Lied geschrieben habe… Da hatte ich gerade mal zwei Singles veröffentlicht, tourte herum und feierte Parties… Ich verdiente meinen Erfolg überhaupt nicht! Aber jetzt arbeite ich superhart, das ist ganz was anderes! (lacht)
Danke für dieses Gespräch.
Nach dem Interview und ein paar Schnappschüssen (Uffie sperrt ihre Rehaugen auf und will partout kein böses Gesicht machen) ist 'doctor time': Die Sängerin hat schon den ganzen Tag Ohrenschmerzen und wird nun zum Arzt gefahren.
"Ich hab eine Ohreninfektion", verkündet sie, als sie um 1.15 Uhr die Bühne des Zürcher Hive-Clubs betritt, "ich bin halb taub!" Dieser Umstand hindert sie trotzdem nicht daran, unterstützt von einem DJ und einem Mitmusiker ein kanpp 45 minütiges Live-Set abzuliefern, das die Tanzfläche in einen regelrechten Hexenkessel verwandelt. Neue Tracks wie MCs Can Kiss und ADD SUV funktionieren dabei genauso gut wie die alten Hits Ready To Uff und Pop The Glock, - letzteres Lied bildet den Abschluss des Gigs. Schweissüberströmt drängt die Masse danach an den Tresen oder ins Freie. Für einmal ist man nicht traurig, dass es keine Zugabe gegeben hat.