Sophies Welt: Review Sophie Hunger Konzert in Montreux.
Eva Noëmi Weniger - Gestern Abend verwandelte Sophie Hunger die Miles Davis Hall in einen Ort des Staunens. Während fast zwei Stunden zog die Sängerin und Songwriterin zusammen mit ihrer grandiosen Band das Publikum in ihren Bann. Wenn Sophie singt, dann wird es ganz still. Auch wenn Menschen im P...
Wenn Sophie singt, dann wird es ganz still. Auch wenn Menschen im Publikum sind, die viele ihrer Lieder kennen, so hätte doch niemals jemand es gewagt mit zu singen. In einem schlichten, roten Kleid gleitet die zierliche junge Frau zwischen Piano und dem Zentrum der Bühne hin und her und zeigt, dass sie nicht nur eine unglaubliche Stimme hat, sondern auch sonst musikalisch sehr begabt ist. Es ist ein Konzert der ganz besonderen Art, denn Sophie verlangt viel Aufmerksamkeit. Ihre teilweise kafkaesken Texte aus dem Album „1983“ können nicht einfach passiv konsumiert werden, sondern fordern zum Nachdenken. Sie performt mit einer Präzision, die einem beinahe unheimlich ist und unter die Haut geht. Die Künstlerin ist ganz eins mit der Musik, lässt sich von ihr treiben und ist gleichzeitig ihr Herzschlag. Dabei hält sie aber immer Distanz zum Publikum und wenn sie, den Blick schweifend nach oben gerichtet, den Klängen ihrer Band lauscht, gleicht ihr Gesicht dem eines Kindes. Unschuldig und voller Staunen. Sophie ist irgendwie nicht greifbar, denn im nächsten Moment ist alle Andacht verschwunden und sie zeigt ihre aggressive Seite, wenn sie bei der letzten Zugabe beinahe ins Mikrofon schreit. Wenn sie dann aber spricht, wirkt sie plötzlich wieder ganz fragil und legt alles Heldenhafte ab. Mit einer sehr verletzlichen Stimme stellt sie voller Respekt alle ihre Bandmitglieder vor, und bedankt sich später auch bei den Ton – und Lichttechnikern. Der einzige Moment, in dem sich Sophie dem Publikum etwas annähert, ist die kleine Anekdote, in der sie von ihrem gefälschten Montreux-Jazzfestival-Pass erzählt, den sie sich mit 21 Jahren gebastelt hatte, um backstage Konzerte hören zu können. Sie ist sichtlich bewegt, nun selbst auf dieser Bühne singen zu dürfen, und als sie nach der zweiten Zugabe unter nicht endendem Applaus ihre Hand auf’s Herz legt und zum Abschied winkt, hat sie dem Publikum wirklich alles gegeben.
Ganz eine andere Stimmung herrschte dafür bei der Vorband „Mumford and Sons“. Wer sie noch nicht kannte, hat heute bestimmt ihr Album gekauft. Die vier Briten waren unverschämt charmant und schäkerten mit dem Publikum, so dass sich sofort eine familiäre Stimmung ausbreitete. Neben ihren Hits von dem Debütalbum „Sigh no more“ stellten sie außerdem zwei neue Titel vor, von welchen das eine viel poppiger daher kam, als man es sich von ihren Folklore-Rock Kompositionen gewohnt ist und beweist, dass ihr Repertoire noch nicht ausgeschöpft ist. Das Zentrum dieser fulminanten Stücke war ganz klar der Frontmann und Leadsänger Marcus Mumford, der mit seiner rauen Stimme von samtig verspielt bis krähend aufgebracht einen Titel nach dem anderen interpretierte und alle mitriss. Bei „little lion man“ sangen alle lauthals mit; auch wer den Text nicht kannte. Die Band überraschte aber nicht nur mit ihrer authentischen Musik, sondern mit beeindruckend gutem Französisch. Sie wandten zwischen den Titeln immer wieder an das Publikum und schwärmen von Montreux und der Schweiz. Vor allem der See hatte es ihnen sichtlich angetan, und als Marcus ins Mikrofon raunte, er habe sich schon lange nicht mehr so gefühlt wie am Nachmittag im See, hatte er noch den letzten Zuhörer um den Finger gewickelt.