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30. August 2010, 13:54 Music Festivals Interview

Wer ist Kloot?

Melanie Pfändler - John Bramwell vom britischen Trio „I am Kloot“ traf Students.ch am Zürich Open Air auf ein Bierchen.

Freimütig erzählte der sympathische Singer und Songwriter über Alkohol, Astrologie und Edith Piaf und erklärte, wieso „Sky at night“ besser ist als alle bisherigen klootishen Platten.





Der „Guardian“ hat eure wunderbare neue CD „Sky at night“ folgendermassen kommentiert: „It’s losely themed around late night drinking“.

John Bramwell: Wie bitte? Bei welchem Song geht’s bitte schön ums Trinken? Bei „To the brink“ vielleicht. Und ein anderer Song handelt von Schlaflosigkeit. Diese Typen versuchen mich einfach immer mit Alkohol in Verbindung zu bringen (nimmt empört einen Schluck Bier).

Der Autor Frank Catrell Boyce sieht einen Typen vor sich, der mitten in der Nacht mit gebrochenem Herzen durch die Strassen von Manchester schlendert und in den Himmel schaut.

Ach ja, genau. Auch nicht schlecht.

Lass uns ein kleines Spiel spielen: Ich nenne dir vier eurer Songs und du beschreibst mir die ersten Bilder, die erste Szene die dir dazu einfällt. Erstens: „It’s just the night“.

Das hat mit Kindheit zu tun. Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich ein Kind war, und da hatte ich natürlich ein paar schlechte Nächte; ich konnte nicht mehr gut schlafen. Vor einiger Zeit habe ich nun selbst eine Scheidung erlebt. Also sehe ich mich selbst, wie ich nachts am Fenster sitze und auf die Lichter der Stadt hinunterschaue. Doch der Song ist eigentlich sehr positiv, denn mit diesem Satz hat meine Schwester mich früher immer getröstet: Keine Sorge, es ist zwar dunkel – but it’s just the night. Es geht vorbei.

Was fällt dir zu "Northern Skies" ein?

Auch das ist optimistisch. Ein Teil davon stammt aus einem Gespräch, das ich zufällig gehört habe. Jemand fragte einen anderen, was sein Sternzeichen sei, worauf dieser total wütend wurde und meinte, dass sei doch alles kompletter Bullshit, den man niemals wissenschaftlich beweisen könne. Ich finde Wissenschaft zwar eine wunderbare Sache, aber es ist nun mal so, dass jetzt etwas als Fakt dargestellt wird und 15 Jahre später heisst es dann: „Ach nein, jetzt ist das hier die Wahrheit.“ Diese unerschütterbare Überzeugung hat mich irgendwie amüsiert. Es gibt Physiker, die behaupten, dass wir in einer dreidimensionalen Projektion leben, die von zweidimensionalen Wesen kreiiert wird, damit wir all dies hier wahrnehmen können. Verrückt, nicht? Also wäre es doch möglich, dass man die Astrologie eines Tages wissenschaftlich beweisen wird. Das wäre doch wahnsinnig lustig. (lacht)

Interessiert du dich sehr für solche Dinge?

Och, ich interessiere mich für alles mögliche. Die Musik ist nicht das Einzige, was mich beschäftigt, im Gegenteil – sie ist einfach meine Art auszudrücken, was ich denke und fühle. Theoretisch könnte ich auch Bücher schreiben oder Filme drehen, aber irgendwie war die Musik schon immer meine ganz natürliche Ausdrucksform. Mein erstes Lied habe ich geschrieben, als ich dreizehn war. Ich bin gerade daran, es etwas abzuändern, dann kommt es auf unsere nächste CD.

Du hast einmal in einem Interview gesagt, dass man vielleicht glaube, dem Text eines Liedes zuzuhören, aber dass man eigentlich etwas ganz anderes mitbekommt.

Genau! Die Melodie kann deinem Text eine komplett andere Bedeutung geben! Das ist nicht wie Poesie, das funktioniert auf einer ganzen anderen Ebene. Du versuchst etwas zu kommunizieren, das sich eigentlich gar nicht kommunizieren lässt – darum schreibst du Lieder.

Was ist mit „I still do“ ?

Da sehe ich mich selbst als kleines Kind in einem Zug sitzen. Vor einigen Jahren haben wir wahnsinnig viel getourt und ich glaube, da habe ich mich selbst ein wenig verloren. Und da habe ich mir gewünscht, zu der Person zurückzukehren, die ich war, als ich 9 Jahre alt war. Ich glaube, dass mit neun deine Persönlichkeit vollständig entwickelt ist. Zu sehen, wie das entsteht, ist das Wunderbarste der Welt.

Und „Proof“?

Das beschreibt eine Szene, die sich tatsächlich so zugetragen hat. Ich habe einen wunderbaren Abend mit jemandem verbracht und als wir uns später in einer Bar wieder sahen, versuchte er mir zu erklären, wie toll er diesen Abend fand. Und ich antwortete ihm: „I don’t need proof, I know it was great.“

Wie arbeitest du als Songwriter? Stehst du um acht Uhr auf und setzt dich in dein Büro oder... –

Ich habe nicht mal ein Büro.

Aber doch zumindest einen Küchentisch.

(lacht) Ja, das schon. Ehrlich gesagt sehe ich mich gar nicht als Songwriter. Da stehst du dir doch nur selbst im Weg! Also, was tue ich? Ich erfinde Dinge. Manchmal fliegen mir die Lieder einfach zu, manchmal setze ich mich ans Klavier und probiere was aus, manchmal schnappe ich etwas auf, das jemand anderes gespielt hat. Oder eines Abend habe ich mir den Film „La vie en rose“ angesehen, ziemlich viel Wein getrunken und am Ende dachte ich, ich sei Edith Piaf und summte aus dieser Stimmung heraus vor mich hin.

Ihr selbst sagt, dass „Sky at night“ besser ist, als alles, was ihr bisher gemacht habt. Wie habt ihr das hingekriegt?

Guy Garvey von Elbow hat „Sky at night“ produziert, wie auch schon unsere erste Platte „Natural History“. Natürlich hatte er selbst noch anderes zu tun und wir konnten nur vier, fünf Tage pro Monat mit ihm arbeiten. Das hat uns viel Zeit geschenkt. Zum ersten Mal seit zehn Jahren konnte ich einfach mal stillsitzen. „Sky at night“ ist ruhig und sanft; es ist die Musik einer Person, die auf sich selber zurückschaut. Das hätte ich vor zehn Jahren noch nicht gekonnt.

Ihr sagt, dass die Elbower Guy Garvey und Craig Potter ein sehr gutes Gefühl dafür haben, was „klootish“ sei und was nicht. Kannst du diesen Begriff beschreiben?

Guy und Craig haben das Mysteriöse, die Magie zurück in unsere Musik gebracht. Das Mysteriöse, der Bezug zum Fremdartigen ist mir sehr wichtig und doch drücke ich mich manchmal zu direkt aus; nicht nur in den Texten, auch in den Melodien.

Peter sagt über „I still do“ es sei eines der besten Lieder, das in den letzten 20 Jahren geschrieben wurde, und Andy behauptet, dass ihr mit „The moon is a blind eye“ ein ganz neues Genre kreiert habt. Seid ihr durch und durch stolz auf das Album oder besteht da eine gewisse Hassliebe?

Absolut! Ich selbst kann mir das Album nicht anhören. Ich vermeide sogar, es mir anzusehen. Ich weiss nicht einmal mehr die Reihenfolge der Lieder auswendig! In ein paar Monaten geht’s vielleicht wieder, doch jetzt suche ich wirklich die Distanz.

Auch bezüglich euer Popularität soll das Album ein Meilenstein werden. Wieso wart ihr jahrelang ein Geheimtipp und warum soll sich das ausgerechnet jetzt ändern?

Wir hatten das Glück, in den letzten zehn Jahren genug bekannt zu sein, um durch Europa und England zu touren und immer genug Publikum zu haben. Aber ja, „Sky at night“ könnte für uns einen Durchbruch bedeuten. Ich glaube, das ist das erste Mal, das eine CD ein Gesamtwerk ist, ein Gefühl. Das wird den Leuten helfen, sich darauf zu fokussieren. Und wir haben einen neuen Manager. (lacht hämisch)

Meine allerletzte Frage; die stelle ich jedem Künstler: Gibt es eine Frage, die dir noch in keinem Interview gestellt wurde und die du gerne beantworten möchtest?

Oh mein Gott! Ähm, okay... (Lange Denkpause) It’s about mystery again, really. Ich glaube die Frage ist, wieso ich das Gefühl habe, dass mein Leben voller Geheimnisse sei, voller Dinge, von denen ich nicht weiss, was sie sind. Weshalb fühle ich mich so?

Und was wäre die Antwort?

Die ist etwas grössenwahnsinnig. Ich habe mich immer so gefühlt. Schon bevor ich sprechen konnte. Und ich glaube, die Musik hat eben genau dieses Geheimnisvolle an sich, das mich anzieht. Ja, ich glaube, das wäre die Frage. Aber eine wirkliche Antwort habe ich nicht.

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