Das Leben ist zu lang
Gregor Schenker - Der Basler Regisseur Dani Levy feierte mit Alles auf Zucker! grosse Erfolge, während Mein Führer hinter den Erwartungen zurück blieb (aber umso heftiger polarisierte). Jetzt kommt sein neuster Film ins Kino, Das Leben ist zu lang. Der handelt vom jüdischen Filmemacher Alfi Se...
Der handelt vom jüdischen Filmemacher Alfi Seliger (Markus Hering), bei dem es an allen Ecken und Enden kriselt: Seine Frau begegnet ihm mit Gleichgültigkeit, seine Kinder hassen ihn, sein letztes Werk kam 1995 ins Kino und seit Jahren versucht er vergeblich, sein Drehbuch zu verfilmen – keiner will sich an einer Komödie über die dänischen Mohammed-Karikaturen die Finger verbrennen.
Da hat er das Glück, dass sich Natasha, die russische Ehefrau des Produzenten Miesbach-Boronowski, in ihn verguckt und bei ihrem Mann ein gutes Wort einlegt. Doch der Höhenflug unseres Helden ist von kurzer Dauer, stattdessen kommt alles noch schlimmer als zuvor …
Was wie ein halbwegs amüsanter (vor allem dank Hering), aber klischeebeladener Schwank anfängt, wandelt sich mit einem Twist in der Mitte des Filmes zu einer Selbstreflexion über das Genre der Komödie, die alles zuvor Gesehene in Frage stellt. Trotzdem bleibt Das Leben ist zu lang seinen Themen treu. So geht es zum einen um die Spannung zwischen Karriere und Familie, Versagensängste und Midlife-Crisis: Alfis beruflichem Tauchgang steht ein zerrüttetes Familienleben gegenüber, so dass er sich schliesslich in einer Identitätskrise wiederfindet, die sich im Laufe der Handlung zu einem surrealen Alptraum steigert.
Zum anderen handelt das Werk von der Schwierigkeit, ein eigenwilliges Projekt gegen die Ansprüche der Filmindustrie durchzusetzen (man denkt unvermittelt an die erwähnte Hitlerkomödie). Es wird Partei ergriffen gegen den Mainstream und für Komödien, die nicht bloss harmlose Unterhaltung sein wollen. Freilich ist Das Leben ist zu lang nicht viel mehr das, eine harmlose Komödie nämlich, trotz der selbstreflexiven Elemente – grade diese wurden in anderen Filmen (auch solchen aus Hollywood) schon bissiger abgehandelt (man denke an Altmans The Player oder Forsters Stranger Than Fiction). Und angesichts der Tatsache, dass im Film zwar der Notwendigkeit gesprochen wird, auch über Mohammed Witze machen zu dürfen, genau das aber nicht passiert, fällt es einem schwer, den Film als mutigen Gegenentwurf zu verstehen. Oder macht sich Levy bloss auf die Art über Anti-Hollywood-Gehabe lustig?
So oder so, spätestens nach dem etwas beliebig wirkenden Schluss stellt sich das Gefühl ein, dass mehr drin gewesen wäre, dass der Film frecher und prägnanter hätte sein können. Und dass er über weite Strecken eine selbstbezogene Nabelschau von Dani Levy ist: Auch wenn Das Leben ist zu lang nicht autobiographisch verstanden werden sollte, der Regisseur übertreibt es etwas damit, sich selbst einzubringen – wenn er schliesslich sogar als er selbst in seinem Film auftritt (wie übrigens auch seine Tochter), hebt man schon kurz die Augenbraue. Aber vielleicht nimmt er damit ja grad die Egozentrik aufs Korn, die auch Alfi ausmacht.
Ein zwiespältiger Film also, der aber dennoch (oder grad deswegen) interessant ist und zumindest die Hirnzellen anregt. Und wenn alle Stricke reissen, bleibt immer noch die tolle Besetzung übrig: Markus Hering, der bis anhin vorwiegend als Theaterschauspieler unterwegs war, ist in der Hauptrolle genial; daneben finden sich jede Menge prominente Darsteller: Veronica Ferres, Yvonne Catterfeld, Udo Kier, Elke Sommer, Michael Herbig und viele mehr. Ein hervorragend aufgelegter Haufen, dem man gerne zuguckt. Da macht der Film, bei allen Vorbehalten, ziemlich viel Spass.
Bewertung: 3 von 5
Ein Interview mit dem Regisseur Dani Levy gibt’s hier.
Und hier gibt's ein Interview mit dem Hauptdarsteller Markus Hering.
- Titel: Das Leben ist zu lang
- Land: Germany
- Regie: Dani Levy
- Darsteller: Markus Hering, Veronica Ferres, Yvonne Catterfeld
- Verleih: Filmcoopi
- Start: 2. September 2010