9. Oktober 2010, 13:26 Kultur Music

Ein grosses Schauspiel. Er zog Hipsters, Bücherwürmer und selbsternannte Experten ins Kaufleuten. Leute riefen dazwischen, Leute verliessen den Saal, und Ellis las über Botox, Schauspielerinnen und Anal-Fisting.

Bret Easton Ellis ist wie die Hauptfigur Clay in Imperial Bedrooms mitte vierzig, er scheint extrem gleichgültig, liest mit zappligen Beinen und erinnert mit Hornbrille, grauem Haar und Hoodie an alternde Punkrocker aus Bad Religion. Imperial Bedrooms ist Ellis' sechster Roman, entstanden in einer very dark period im Leben des Autors, war ursprünglich als Liebesgeschichte gedacht und findet nun seinen Höhepunkt in der "Palm Springs" Szene, in der sich Clay mit einer Prostituierten und einem Stricher, beides Teenager, tagelang in einem Haus mit Pool einschliesst, Abführmittel verfüttert, und sich mit Gewalt- und Sexorgien den Alltag vertreibt. Diese Szene liest Ellis ganz am Schluss im Kaufleuten, ungeplant und noch nie zuvor mit Publikum vorgetragen.

Er führe ein ganz langweiliges Leben und mag beach walks, erklärt Ellis Minuten später. Der Literat erkundet seit seinem Debüt Less Than Zero die dunklen Seiten der Seele, besonders - weltberühmt und von Moralisten gehasst - in American Psycho, das ein Werk über Einsamkeit sei, wie er im Kaufleuten erklärt. Viel schlimmer als über Motorsägen und abgeschnittene Köpfe zu schreiben, sei übrigens das hören von Genesis Platten gewesen, damals.

Ellis springt im herrlich unkonventionellen Gespräch mit Radio DRS-Mann Philipp Erath hin und her, verweigert eine Antwort, nur um in der nächsten ausschweifend über seine Machtlosigkeit über Leserreaktionen zu phliosophieren. Der Moderator bekommt ein Lob für seine Frisur, zwischen-buhende Zuschauer werden verspottet. Bret Easton Ellis ist unkontrollierbar. Ein nächstes Buch gebe es nicht, Kokain konsumiere er nicht auf Lesereisen, ausser in Berlin, seine Moderatoren würden reihenweise die Bühne verlassen und seine Tourmanagerin hätte kürzlich einen Weinkrampf erlitten. Mr. Ellis was losing his shit, wie er erklärt. Im Kaufleuten redet und redet er drauflos, will nicht mehr von der Bühne, schon gar nicht weil er den Raum für eine Party hergeben soll.

Bret Easton Ellis sieht unsere Zeit wie kein anderer, vermag mit seiner Fiktion zu schockieren und begeistern, und er liess im Kaufleuten alle spüren: Vorallem jene, die denken sie wüssten Bescheid über ihn, über Literatur, über Intellekt, genau jene sind die letzten, die er respektiert. Eine Lesung jenseits von allem, grandios.

Bret Easton Ellis - Imperial Bedrooms (2010)

Bret Easton Ellis: Offizielle Homepage