DVD der Woche: Becoming Jane
Christina Ruloff - Es gibt kaum eine Autorin (geschweige denn einen Autor!), deren Bücher so leidenschaftlich geliebt und diskutiert werden, wie Jane Austen. Becoming Jane schildert, wie die junge Frau durch das Erleben ihrer grossen Liebe im gesellschaftlichen Umfeld des 19. Jahrhunderts zur gros...
„Affection is desirable. Money is absolutely indispensable!“, predigt Janes Mutter und sie weiss, wovon sie spricht. Sie hat aus Liebe einen armen Pfarrer geheiratet und lebt nun in einem winzigen Pfarrhaus, füttert Schweine, gräbt Kartoffeln aus und hat erst noch eine unverheiratete Tochter – nämlich Jane. Was mit der Familie nach dem Tod des mittellosen Vaters und Ernährers geschieht, steht in den Sternen. Das macht Mrs. Austens merkantilistischen Ausspruch und ihr Drängen zwar nicht sympathischer, doch nachvollziehbar. Jane ist jedoch nicht bereit, den höflichen Langweiler Mr. Wisley wegen des Geldes seiner arroganten, steinreichen Tante zu nehmen, vertreibt sich ihre Zeit mit Schreiben und wartet auf die grosse Liebe – die in der Person des irischen Lebemanns und Jusstudenten Tom Lefroy in ihr Leben tritt und alles von Grund auf verändert. In ihm findet sie endlich eine Person, mit der sie sich ebenbürtig unterhalten kann, die sie fordert, interessiert und versteht. Doch Lefroy ist ebenfalls arm...
Den einen will sie nicht, den anderen darf sie nicht heiraten. Becoming Jane schildert die Nöte der jungen Jane Austen.
Becoming Jane strotzt vor atmosphärischen Bildern (wunderbar eingefangen von der fantasievollen Kamera Eigil Brylds) und spannenden Charakteren, die geradewegs einem Austenroman entstiegen sein könnten. Die leidenschaftliche Verliebtheit wird von Anne Hathaway ebenso glaubwürdig verkörpert, wie die zehrende Skrupel, die von der totalen finanziellen Abhängigkeit herrühren. Janes Vorschlag, später einmal unabhängig zu werden und vom Schreiben zu leben, wird von der höhnischen Gesellschaft, ja sogar von der liebenden Familie als Luftschloss und Träumerei abgetan. Gerade an Jane Austens Schicksal zeigt sich, wie sehr sich die gesellschaftlichen Möglichkeiten der Frau verbessert haben (Nicht umsonst meint Alice Schwarzer, dass unsere heutige Gesellschaft die beste für Frauen überhaupt ist). Ihr Beispiel zeigt aber auch, dass Durchsetzungsvermögen und Zähigkeit am Ende siegen.
"How can you, of all people, dispose of yourself without affection?" Tom Lefroy konfrontiert Jane mit ihrem Inneren - und mit ihrem Schicksal.
Natürlich basiert Becoming Jane grösstenteils auf mehr oder weniger motivierten Spekulationen; die geliebten Figuren (die unerträgliche reiche Alte; der schreckliche superbeflissene Vikar; die unendlich geduldige Schwester) wurden von ihren Büchern zurück in ihre Biographie projiziert und Jane Austen Anno 2007 ist überhaupt eine Projektion unserer Erwartungshaltung an eine Heldin auf das viktorianische Zeitalter (in dem sich Ms. Austen sicherlich keine Zungenküsse mit „fremden“ Männer gegönnt hätte).
Wer aber Jane Austens Bücher mit ihren zuweilen sehr glücklichen Happyendings kennt, weiss wie trostlos das Leben jenseits der Fiktion sein müsste und gönnt ihr wenigstens im Film ihre grosse, romantische und tragische Liebe von Herzen!
* Originaltitel: Becoming Jane
* Land: USA / GB
* Dauer: 120 Minuten
* Regie: Julian Jarrold
* Darsteller: Anne Hathaway, James McAvoy, Julie Walters, James Cromwell, Maggie Smith, Laurence Fox
Becoming Jane ist neu auf DVD erschienen!
Mr. Right Tom Lefroy: Was wäre, wenn sie ihn tatsächlich gekriegt hätte? Hätte sie dann auch ihre grossen sechs Werke, allen voran "Pride and Prejudice", "Persuasion" und "Sense and Sensibility" geschrieben? Als verheiratete Autorin?