Im Dorfkino mit Orfeo und Euridice
Patrick Holenstein - 0per ist für gewöhnlich pompös, die Opernhäuser namhaft wie die Met, prächtig wie die Scala oder üppig wie die Semperoper. Doch gerade in den unscheinbaren Orten finden sich sehenswerte Inszenierungen. Wie beispielweise im ehemaligen Dorfkino in Dornach im Kanton Solothurn,...
Von Annekatrin Kaps
Von aussen könnte man das Flachdach fast übersehen, wäre es nicht von neongrünen Leuchten erhellt. Im kleinen Foyer drängt sich das Publikum, verstaut die Garderobe, trinkt Wein, Programme und Brezen werden verkauft. In Dornach kennt man keine Berührungsängste, man kommt leger oder anthroposophisch edler, hier wird nicht das neue Kleid ausgeführt. Auch der Zuschauerraum ist klein, wenige Reihen im Parkett, neben der Treppe links und rechts noch einige weitere. Man sitzt auf alten Kinostühlen. Auf der Bühne leuchtet auf einem Leinenvorhang weiss das Wort Hades. Das Orchester sitzt rechts neben die Bühne gequetscht, über ihnen ist das Liebespaar poetisch schön an die Wand gemalt, korrespondiert mit den tanzenden, nackten Frauen an der linken Wand der Bühne.
Dann beginnt das Drama von Orfeo ed Euridice in einer Inszenierung von George Darvas. Das Orchester unter Bruno Leuschner musiziert wunderbar beschwingt und engagiert und nach den ersten Takten wird einem klar, warum diese Musik schon bei der Uraufführung so faszinierte. „Die Musik des Orphée… hat mich so heftig und nachhaltig in tiefster Seele aufgewühlt und bewegt…ich fühlte das verwirrende Glück der Leidenschaft.“ schrieb Mademoiselle de Lespinasse, eine der berühmtesten Salondamen von Paris, schon 1774.
Auf der Bühne liegt Euridice in einem weissen Kleid im Sarg, umringt von Trauernden, davor kniet verzweifelt Orfeo. Dass Orfeo nicht von einem Mann gesungen werden kann, liegt an der Partitur, ist aber im ersten Moment gewöhnungsbedürftig. Dabei ist Carmela Galvano Forte in der Rolle des Orfeo ein Glücksfall, verfügt sie doch nicht nur über einen wandlungsfähigen, warmen Mezzosopran, sondern spielt auch mit grosser Leichtigkeit und Leidenschaft. Ihre schwarzen Locken bilden auch optisch einen reizvollen Kontrast zur blonden Euridice, die von Ines Schaffer trotz Indisposition mit einem weichen Sopran gefühlvoll gesungen wurde.
Doch bis die beiden wieder glücklich vereinigt sind, ist es noch ein weiter Weg für Orfeo. Von Amor, der hier in Lederjacke, mit Hut und Schlips auftritt und von Tabea Bürki mit einem glockenreinen, leuchtendhellen Sopran gesungen, erhält Orfeo eine Laute, mit deren Hilfe er die Furien für sich einnehmen kann.
Der Chor agiert nun in grauen Jacken und schwarzen Hosen als graue Masse, aus denen Köpfe herausstechen, die Orfeo im Hades an zischeln und einschüchtern. Bis er sie dann doch rührt und er den Todesfluss Lethe passieren darf. Das Elysium ist dagegen ein lichter Ort, in dem Orfeo gebannt von der süssen, reinen Musik ist. Diese ist ein weisses, riesenlanges Tuch, der Chor sitzt in weissen Blusen und schwarzen Hosen auf dem Boden und näht daran, alle schauen glücklich, was auch ein bisschen bemüht wirkt. Einigen Älteren scheint das Schauspielern nicht so zu liegen, sie wirken zu hölzern. Dafür strahlen die frischen Gesichter der Jüngeren in reiner Unschuld, gerade der Chor als musikalischer Gegenpart zu den drei anderen Personen macht den Abend zu einem Ereignis.
Nun kommt die schwierigste Prüfung für Orfeo, muss er doch seine geliebt Euridice mit sich nehmen, ohne sie anzusehen oder sein Verhalten zu erklären. Als Mann weiss er, dass seine Geliebte es nicht verstehen wird. Euridice ist genauso schnell verzweifelt, wie vorher beglückt, ihn zu sehen. Wie alle Frauen fühlt sie sich nicht schön genug, da Orfeo sie nicht anschaut. Ihr Disput, der stimmlich so verschieden beginnt, nähert sich immer mehr an, bis sie die gleiche Melodie singen, auch das ist so ein beglückender Moment des Abends.
Doch dann schlägt die Verzweiflung wieder zu, Orfeo kann sich nicht länger wehren und schaut seine Liebste an. Euridice im roten, bodenlangen Kleid, das für den Eros steht, stirbt an diesem Blick. Und Orfeo verzweifelt erneut. Doch diesmal ist es kein Anschreien gegen die Einsamkeit, keine selbstverliebte Qual. Die Götter haben ein Einsehen, Amor bringt ihm Euridice zurück, die im weissen Kleid der Selbstlosigkeit erscheint.
Ob es für das Neue Theater Dornach auch ein Happy End gibt, dass im elftem Jahr verzweifelt ein neues Domizil sucht, entscheiden heutzutage nicht mehr nur die Götter. Das Publikum wurde vor Beginn der Oper aufgerufen, sich im Gönnerverein zu engagieren. Dem Aufruf folgten viele, die auch weiterhin in ihr Theater in Dornach gehen möchten.
- Nächste Aufführungen 2., 4., 5. Und 31. Dezember
- Karten für 52.- und 58.- Studenten für 32.- und 38.-
- Weiter Infos gibt es auf der Homepage.