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28. November 2010, 20:54 Politik

Ist unsere Demokratie käuflich?

Jonas Landolt - Einmal mehr stelle ich mir die Frage, wie stark unsere Demokratie von Geld bestimmt wird.Es ist Sonntagabend, die Abstimmungsresultate sind bekannt. Mein Gemütszustand ist schwierig zu beschreiben: verärgert, wütend, traurig, beschämt, beunruhigt, frustriert und ein wenig res...

Einmal mehr stelle ich mir die Frage, wie stark unsere Demokratie von Geld bestimmt wird.Es ist Sonntagabend, die Abstimmungsresultate sind bekannt. Mein Gemütszustand ist schwierig zu beschreiben: verärgert, wütend, traurig, beschämt, beunruhigt, frustriert und ein wenig resigniert... Was soll ich denken? Haben wirklich die besseren Argumente gewonnen?

NEIN, sicherlich nicht. Einmal mehr mussten wir mit bescheidenen Mitteln gegen Millionen Kampagnen einerseits der Economie Suisse und der Bürgerlichen anderseits der SVP ankämpfen. Dies widerspiegelt sich schlussendlich in einer enormen Anzahl von Plakate und Inseraten in den Zeitungen. Es ist frustrierend, wenn man seine Argumente kaum unter die Leute bringen kann und gleichzeitig bombardiert wird mit angstschürenden, zum Teil erlogenen oder herbeifantasierten Aussagen. Kaum ein Ort ohne Ivan S.-Plakat, kaum eine Zeitung ohne Inserat für ein Ja zur Ausschaffungsinitiative.Wir müssen uns auch fragen, ob man in einem Abstimmungskampf oder vor Wahlen Aussagen machen darf, die schlicht und einfach nicht stimmen. Aber das ist eine andere Frage und deshalb zurück zum Thema.Ich hüte mich davor zu sagen, die StimmbürgerInnen seien käuflich. Aber je grösser die finanziellen Mittel sind, desto besser gelangt man mit seinen Argumenten an die Leute. Das bestreitet wohl kaum jemand. In einem fairen Abstimmungskampf sollten also die finanziellen Ressourcen keine Rolle spielen. Es wird ja wohl keine Partei behaupten, sie habe die Abstimmung nicht wegen der besseren Argumente, sondern dank des verfügbaren Geldes gewonnen.

Beim soeben erlebten Abstimmungskampf haben die bürgerlichen Parteien (ohne die SVP) und die Economie Suisse eine ziemlich perfide Rolle gespielt. Einerseits haben sie sich an einer Millionenkampagne gegen die Steuergerechtigkeitsinitiative beteiligt und andererseits haben sie behauptet, kein Geld für eine Gegenkampagne zur SVP-Propaganda zu haben. Dies wohl aus Angst, bei einem zu starken Engagement gegen die Ausschaffungsinitiative eigene Wähler zu verlieren. Die SVP ihrerseits hat mit mehreren Millionen die ganze Schweiz mit ihren Plakaten und Inseraten überflutet. Allein die „Volksbefragung“, welche im Vorfeld der Abstimmung in alle Schweizer Haushalte verschickt wurde, muss gegen eine Million Franken gekostet haben. Auf der Gegenseite hat das 2 x NEIN-Komitee mit einem Bruchteil davon, sehr viel Engagement und kreativen Ideen für eine Schweiz gekämpft, in der nicht die Herkunft über ein Strafe bestimmt, in der es kein Sonderrecht für Ausländer gibt. Leider erfolglos.

Das Geld spielt aber nicht nur in Abstimmungskämpfen eine wichtige Rolle, sondern auch in den Parlamenten. Es ist bekannt, dass in den Parlamenten massiv lobbyiert wird und das nicht nur auf argumentativer, sondern auch auf der finanzieller Ebene. Dies wird von den betroffenen Parteien auch nicht bestritten. Sie behaupten aber, dass sie ihre Entscheide unabhängig von jeglicher Beeinflussung fällen. Solche Aussagen sprechen ehrlich gesagt nicht wirklich für ihre Glaubwürdigkeit. Und wenn das Geld keine Rolle spielt? Wieso getrauen sich dann die Bürgerlichen nicht ihre Parteifinanzierung offen zu legen?

Ich denke, es ist nicht zu bestreiten, dass Geld in unserer Demokratie eine wichtige Rolle spielt. Und leider habe ich je länger desto mehr das ungute Gefühl, dass das Geld unsere Politik bestimmt. Ist es das, was wir wollen?Wie wäre es, wenn im Abstimmungskampf die Argumente und nicht das Geld entscheiden? Ich denke wir sollten uns solche Fragen stellen und Lösungen dafür suchen.

So oder so werden wir Junge Grüne und ich persönlich weiterkämpfen für eine gerechte Schweiz. Ohne Sonderprivilegien für die Reichen und ohne Sonderrecht für Ausländer!

Jonas Landolt ist 20 Jahre alt und studiert an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften. Er ist Präsident der Jungen Grünen Zürich und im Vorstand der Jungen Grünen Schweiz.

Kommentare
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fab86
fab86 29.11.2010 um 17:26
Schlechtes Beispiel. Ob mit oder ohne Ausschaffungsinitiative: Die Konsequenzen für das misshandelte Kind wären wohl die gleichen. Bis zur letztinstanzlichen gerichtlichen Beurteilung seiner Eltern und deren Ausschaffung können Jahre vergehen. Keine besonders angenehmen Jahre für das Kind. Eine Rückkehr zu den Eltern wäre dann sowieso ausgeschlossen. Ganz abgesehen davon wird niemand ausgeschafft, wenn er zuhause an Leib und Leben bedroht ist (non-refoulement).

Was Dein Beispiel mit den Asylbewerbern betrifft: Asyl ist definitionsgemäss eine *temporäre* Aufnahme verfolgter Menschen. Ist es nicht eine Frage des Respektes, sich in seinem Gastland, das einem das Leben rettet, sich ein paar Monaten oder Jahre zusammen zu nehmen? Legitimiert Langeweile schwere Verbrechen? Ist es nicht eine Bringschuld der Gäste, sich mit den Sitten und Gebräuchen der Gastgeber vertraut zu machen? Übrigens sprechen die Asylbewerber, mit denen ich in den letzten Jahren zu tun hatte, alle hervorragend französisch oder teilweise auch englisch. An der Sprache scheint's also nicht zu liegen.

Dem Klima zwischen Ausländern und Schweizern wird die Initiative überhaupt nicht schaden, ausser Du unterstellst den Ausländern pauschal, sie seien alle kriminell. Im Gegenteil: Die Annahme ist ein klares Signal an diejenigen Personen, die unsere Hilfsbereitschaft in grober Weise ausnutzen wollen, dass dies nicht mehr toleriert wird.

Denn letztlich ist weniger Ausländerkriminalität das probateste Mittel zur Entspannung des Verhältnisses zur grossen Mehrheit der korrekten Ausländer.
HagenvonTronje
HagenvonTronje 29.11.2010 um 15:14
In der Tat kann man das als eine Beleidigung an die Intelligenz der Stimmbürger verstehen. Ehrlich gesagt: Chapeau vor der Sturheit jener Stimmbürger, die Ja gestimmt haben, dass sie alle Expertenmeinungen mal so eben in den Wind geschlagen haben. So blöd muss man erstmal sein, Probleme zu beheben, in dem man sie verdrängt (in diesem Falle: ausschafft). Zudem schafft diese Annahme ganz neue Probleme: Wie verhält sich ein ausländisches Kind, das von seinen Eltern misshandelt wird? Mal so eben seine Eltern verpfeiffen und zusammen mit ihnen ausgeschafft werden? Oder schweigen und weiter ertragen, dabei aber in der Schweiz zu bleiben, um nicht im "Heimatland" ermordert o.ä. zu werden? Bravo! Das wird ein schönes Leben in der Schweiz.

Kriminalität bleibt auch, nachdem alle kriminellen Ausländer ausgeschafft worden sein werden. Wer glaubt, eine Nationalität mache kriminell, der sollte lieber schweigen, denn dergleichen ähnelt dem Sozialdarwinismus (und wohin der geführt haben, wissen wir ja). Entscheidend für ein kriminelles Verhalten ist in erster Linie das soziale Umfeld. Wer, wie die meisten Asylanten, keiner Arbeit nachgehen darf (Integration kann nur durch Kontakt entstehen), die Sprache nicht ausreichend beherrscht (und in der Isolation sicherlich nicht in einer göttlichen Eingabe plötzlich Deutsch (oder Französisch etc.) zu sprechen lernt), wird fürher oder später aus Langeweile auf dumme Ideen kommen. Jeder Schweizer, der, zwar aus anderen Gründen, ähnlich isoliert wird, kann auch kriminell werden. Integration ist das Schlagwort für ein friedliches Zusammenleben! Nicht Ausschaffung.

Nebenbei bemerkt: Das Klima zwischen Schweizern und Ausländern wird durch diese Initiative nicht besser werden. Wenn du als Ausländer denken musst: "Jeder zweite Schweizer hat Ja gestimmt" kann dir nur mulmich zu Mute werden.
fab86
fab86 29.11.2010 um 09:57
Das Argument von Jonas hört man viel, ist aber eine ganz billige Entschuldigung für das eigene Versagen und eine Beleidigung an die Intelligenz der Stimmbürger. Wenn die Stimmbürger so einfach zu beeinflussen wären, hätten alle Nein gestimmt.

Die gesamte Tagespresse war nämlich dezidiert gegen die Ausschaffungsinitiative.

Über Wochen wurden wir täglich mit Dutzenden von Artikeln bombardiert, wo Politologen und andere publikationsgeile "Experten" ex cathedra erklärten, die Initiative verstosse gegen das Völkerrecht, sie sei schlampig formuliert, bestrafe Ladendiebe, führe zu einer Zweiklassengesellschaft, mache uns im Ausland unmöglich, usw. Es wurde in jedem Artikel unterstellt, dass die Befürworter der Initiative alles dumme, ignorante Rassisten seien, die sich von dumpfen Gefühlen (ver-)leiten lassen würden. Artikel mit guten Argumenten *für* die Initiative gab's keine.

Trotz dieser massiven, orchestrierten Pressekampagne haben sich die Stimmbürger nicht einschüchtern lassen.

Das ist der beste Beweis, dass weder Tamedia, Ringier noch die SVP die Demokratie kaufen können.
manderindli 28.11.2010 um 23:44
Chapeau! =D
Da underschribi!
Und falls ich mal meeeeega vill Geld han, chumi bi de Gruene go inebuttere damit mer eusi Argument ad Luet bringed. =D
Guete Text.
Greex
Sue