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30. November 2010, 18:57 Kolumnen

Shots no. 16: O mein Advent, so wohlig warm

Dominik Mösching - Die Welt, in der wir leben, ist vernetzt. Heute ist man nie mehr völlig weg vom Fenster wie in der guten alten Zeit von Wochenschau und Briefverkehr.

Deshalb bekomme ich auch in Argentinien in Echtzeit mit, dass es zu Beginn des Advents so richtig kalt geworden ist in der Schweiz. Zwischen Bodensee, Rhein und dem ewigen Eis der Berner Alpen verriegelt man die Türen, schliesst die Fensterläden und richtet sich in den eigenen vier Wänden ein. Man öffnet eine Flasche einfachen einheimischen Landwein, prostet dem kleinen Kreis des Gutbekannten zu und mischt die Karten. Schweigend gibt man das Spiel und lauscht verstohlen dem bedrohlichen Pfeifen des Ostwindes.

Immer dieser Ostwind. Nächstes Jahr wird die Wetterseite des Hauses schon wieder nachgestrichen werden müssen. Während man den Kopf schüttelt und sich fragt, warum sich das Wetter eigentlich ständig ändern muss und nicht einfach mal bleiben könnte wie es ist, nämlich wohlig warm wie der Kachelofen, verdammt man leise diese Welt da draussen, die Aussenwelt, die sich ebenfalls ständig ändern muss und nicht einfach mal bleiben kann wie sie ist, nämlich so wie früher. Oder eigentlich – wenn wir ehrlich sind, und das sind wir natürlich, als gute Bürger, jedenfalls hier im kleinen Kreis, wo man noch sagen darf was man denkt – so, wie wir uns das "Früher" vorstellen. Wohlig warm, irgendwie.

Unzufrieden seufzend knüllt man den Wetterteil der Regionalzeitung zusammen (der auch nicht mehr das ist, was er mal war) und wirft ihn in den Ofen, quasi als stillen Protest gegen den Wind, die Kälte und das Glatteis. Einfach einmal ein Zeichen setzen, Symbolik kostet einen ja nichts. Und wenn die Druckschwärze lustig aufflackert, hat man wenigstens für einen kurzen Moment so ein Überlegenheitsgefühl. Ha, Wetter! Dir habe ich es jetzt aber gezeigt. Und nachdem auch der Auslandteil zwischen den Scheiten liegt und die Ahnung von Wärme verflogen ist, füllt man sich das Glas, bis es halb leer ist. Ha, Welt.

Und so linse ich von weit draussen durch die beschlagenen Fenster der Heimat und sehe die Menschen eng aneinandergedrängt um die Fondue-Caquelons und Adventskränze sitzen. Besinnung und Nächstenliebe und so. Hier in Buenos Aires weihnachtet es auch, aber die sommerlichen Päckli über den staubigheissen Avenidas sind für Nordhalbkugler ungewohnt. Im Gegensatz zur Schweizer Schoggi, die in den Läden hoch im Kurs liegt.

Eine Tafel kostet umgerechnet acht Franken und hat mit der argentinischen Kaufkraft den Gegenwert einer richtig guten Flasche Wein. Die Leute kaufen und lieben sie trotzdem, es ist schliesslich die beste Schokolade der Welt. Unsere Vorväter haben sich dafür neugierig nach draussen gewagt, eigene Tradition mit fremder Inspiration gemischt und etwas Einmaliges geschaffen, das heute als urschweizerisch gilt. Und das, man stelle sich vor, mit Kakaobohnen aus Afrika und Lateinamerika, für die es bei uns zu kalt ist.

Offenheit kann Kälte ergo bis zu einem gewissen Grad kompensieren. Die Balance kann aber auch verloren gehen wie ein Stück Ruchbrot im Weihnachtsfondue – von dem man erst merkt, dass es weg ist, wenn es weg ist. Es ist der Schweiz nicht zu wünschen.

Weihnachtsbeleuchtung in Buenos Aires.

Vielfalt statt Einfalt: Reiche Auswahl von Geschenkideen im Palermo-Viertel.

Auf der ganzen Welt geliebt und kopiert: Urschweizer Produkt Schokolade.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

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