30. Januar 2011, 19:24 Kolumnen

Nach Tagen zähen Verhandelns hatten sich die Südchilenen mit der Zentralregierung einigen können. Weil diese die angedrohte Gaspreiserhöhung weitgehend zurücknahm, gaben die Streikenden die Städte und Strassen wieder frei. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt immer noch in El Calafate auf der argentinischen Seite der Grenze auf die Einreise gewartet, wären das gute Neuigkeiten gewesen. Stattdessen erreichten sie mich 1500 Kilometer nördlich in der patagonischen Steppe Argentiniens. Ich hatte eines der umkämpften Bustickets (Destination "weg von hier") ergattern können.

Etliche Busstunden und Strassenkilometer später sowie deutlich näher am Äquator betrat ich dann doch noch chilenischen Boden. Im Land mit dem weltbekannten geografischen Umriss - keine 200 Kilometer breit, aber frech in praktisch alle Klimazonen reichend - verschlug es mich in den Quasi-Voralpenraum: Sanfte Hügelzüge, grüne Felder, saftige Wiesen. Wie es Männer nach Anstrengungen eben so machen, setzte ich mich in die erste Beiz und bestellte ein Bier. Ich blickte hoch zum Vulkan Osorno, dem einzigen Anzeichen dafür, dass ich mich in Südamerika befand. Das Bier kam, und ich vergass den Vulkan. Endlich einmal Bierkultur, jubilierte ich und erinnerte mich wieder, dass ich mich in einem beliebten Zielgebiet für alemannische Auswanderer befand. Damals im 19. Jahrhundert hatten sie nicht nur die deutschen Hausbauideen, sondern auch die deutschen Braurezepte mitgebracht.

Auf Besuch in fremden Ländern ist lokal essen und trinken Pflicht. Das ist eine Binsenweisheit, die wahrer nicht sein könnte. Neben kulinarischen Entdeckungen bieten uns die Tier- und Pflanzenprodukte auf den Tellern Einsichten in Natur und Kultur einer Region. Was wächst hier? Was wird hier gefangen oder erlegt? Wie wird etwas zubereitet? Welche Bräuche und Rituale gibt es? Welche Einflüsse von anderswo sind zu sehen? Ähnlich interessant ist es, seine persönliche Landkarte der Mikrobrauereien zu erstellen. Argentinien hat beispielsweise bis auf den überteuerten (und überbewerteten?) Seendistrikt um Bariloche kaum erwähnenswerte Biere. Kanada ist das El Dorado für Kleinbierliebhaber mit den Spitzenreitern Granville Island Pale Ale (Vancouver) und Boréale Rousse (Québec). In den USA schiesst Portland mit hunderten Hausbieren den Vogel ab. Und die Chilenen könnens also auch.

Zwei Tage nach der Bieroffenbarung quälen mich am Bierfest in Valdivia Jodelklang und Schlagerbeat. Unvermittelt sehne ich mich nach einem ruhigen Glas guten Roten in Argentinien zurück.

Nach etlichen Strassenkilometern machen die Wandmalereien am Busdepot in Trelew noch mehr Eindruck.

Voralpenraum mit Vulkan: Osorno, von Las Cascadas aus gesehen.

Deutsch.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.