21. Februar 2011, 00:00
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Interview
«Ein Studentinnenanteil von 50 Prozent wäre ohne Pille kaum denkbar.»
students Redaktion - 50 Jahre Pille – Die Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich mit der Entwicklung der Pille stark verändert. Familienplanung und damit auch Ausbildung und Karriere geschehen bewusster, man spricht auch von «neuer Freiheit», die frau dadurch erreicht hat. Dr. med. Barbara ...
50 Jahre Pille – Die Rolle der Frau in der Gesellschaft hat sich mit der Entwicklung der Pille stark verändert. Familienplanung und damit auch Ausbildung und Karriere geschehen bewusster, man spricht auch von «neuer Freiheit», die frau dadurch erreicht hat. Dr. med. Barbara Hüberli-Zahner erklärt, was sie in ihrem Arbeitsalltag als Gynäkologin für Erfahrungen mit der Pille macht.
von Tamara Deluigi
Students.ch: Frau Dr. Hüberli-Zahner, könnten Sie sich heute eine Welt ohne Pille vorstellen?
Dr. med. Barbara Hüberli-Zahner: Eigentlich nicht mehr, nein. Unsere Welt und so wie wir sie organisiert haben, würde ohne Verhütung in dieser Weise nicht mehr funktionieren. Und in den meisten Fällen ist dies eben eine hormonelle Verhütung. Vor allem auch als Frau die Möglichkeit zu haben, zu bestimmen, wann man schwanger wird und wann nicht, das ist fast nicht mehr wegzudenken.
Denken Sie, dass unsere Welt heute anders aussähe, ohne die Erfindung der Pille?
Barbara Hüberli-Zahner: Ja, ich denke schon. Gerade auch bezüglich der Frauen. Bei den Studierenden ist es ja auch so, dass mittlerweile über 50% Frauen sind und das wäre ohne Pille fast undenkbar. Das ist in Entwicklungsländern noch deutlicher zu sehen. Wo die Frauen den Zugang zu solchen Verhütungsmitteln nicht haben, ist die Gesellschaft noch anders organisiert. Denn Enthaltsamkeit zu leben und nur dann Geschlechtsverkehr zu haben, wenn man schwanger werden will - ich glaube das ist ein Traum, das ist sehr unrealistisch.
Wer verhütet heutzutage mit der Pille? Wem empfehlen Sie die Pille?
Barbara Hüberli-Zahner: Das sind vor allem junge Patientinnen, die so verhüten. Der Vorteil an der Pille ist, dass die Nebenwirkungen relativ gering sind und die Verhütung sehr leicht rückgängig gemacht werden kann. Es ist also vor allem für Frauen eine gute Verhütungsoption, die sagen «momentan will ich keine Kinder, aber ich hätte dann irgendwann gerne einmal Nachwuchs,» und das sind halt typischerweise die Jungen. Ältere Frauen, bei denen die Familienplanung abgeschlossen ist, wünschen eher eine langfristige Lösung wie eine Unterbindung oder eine Spirale. Zudem ist es so, dass die Nebenwirkungen der Pille mit steigendem Alter zunehmen. Das Thrombosenrisiko, welches die Pille mit sich bringt wurde in letzter Zeit auch stark medial behandelt.
Sie haben es angesprochen, die Nebenwirkungen und die Folgen der Pille wurden in den letzten Monaten in den Medien sehr breit getreten, was bei vielen Frauen bedenken bezüglich der Pille ausgelöst hat. Sind diese Ängste berechtigt?
Barbara Hüberli-Zahner: Ich bin der Überzeugung, dass es Fakten gibt, und dass es sich lohnt, sich auch daran zu orientieren. Und die Zahlen sind eindeutig. Einerseits hat die Kontrollstelle für Heilmittel Swissmedic den Sachverhalt eingehend geprüft und getestet, ob einige Präparate gefährlicher sind als andere. Da kann man schon sagen, je höher ein Präparat dosiert ist, desto stärker sind die Nebenwirkungen. Ich versuche immer, den Frauen die Zahlen etwas näher zu bringen. Von jungen Frauen, die gesund sind und keine Pille nehmen haben 2-3 pro 10'000 so eine Thrombose. Bei Frauen, welche die Pille nehmen sind es 4-5 pro 10'000 im Jahr. Bei diesen Zahlen kommt es jetzt natürlich darauf an, wie das ganze dargestellt wird. Sie können sagen „das ist enorm gefährlich, das Risiko ist doppelt so hoch“, was an und für sich eine korrekte Aussage ist. Auf die Gesamtheit gesehen sind es aber 0.05%, was nicht viel ist. Was man sicher immer wieder betonen muss ist, dass Übergewicht und Rauchen in Verbindung mit der Pille eine äusserst schlechte Kombination ist. Da kommt man schnell in einen Bereich, wo das Risiko auch relevant ist.
Wo sehen Sie – gegenüber anderen Verhütungsmethoden – die Vorteile der Pille?
Barbara Hüberli-Zahner: Der Vorteil ist sicher, dass man es sehr leicht rückgängig machen kann. Sie können ein Präparat probieren und wenn ihnen nicht wohl ist, kann man auf etwas anderes umstellen. Die Fruchtbarkeit kommt ja auch sehr rasch wieder zurück, also wenn sie eine Pille mehr als zwölf Stunden vergessen, dann haben sie den Verhütungsschutz schon nicht mehr, da der Körper bereits wieder umstellt. Und die Pille hat neben der Verhütung noch viele Zusatznutzen. Es gibt beispielsweise Pillen, welche auf die Haut einen guten Einfluss haben, Periodenschmerzen verringern oder die Dauer und Stärke der Blutungen beeinflussen. Und das ist sicher der Vorteil gegenüber anderen Verhütungsmethoden, der Nachteil ist, dass sie jeden Tag daran denken müssen.
Vor 50 Jahren kam die erste Pille auf den Markt. Wie haben sich die Präparate seither verändert?
Barbara Hüberli-Zahner: Die Präparate, die man am Anfang gehabt hat, sind nicht zu vergleichen mit den heutigen tief dosierten Produkten. Die Pille war vor 50 Jahren eine regelrechte Hormonbombe. Auch der Schritt, dass man jetzt ein Körpereigenes Hormon in den Präparaten verwendet, ist ein enormer Fortschritt; die Nebenwirkungen können so weiter vermindert werden.
Wie wird sich die Pille ihrer Meinung nach in Zukunft noch verändern?
Barbara Hüberli-Zahner: Die Forschung geht natürlich weiter und ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Einnahmeschemen vereinfachen, dass die Dosis weiter verringert wird, und dass man weiter Inhaltsstoffe mit einbezieht, die besser verträglich sind. Auch dass die Zusatznutzen, wie z.B. die Auswirkungen auf die Haut, weiter ausgebaut werden können. Ich denke da wird in Zukunft noch einiges möglich sein.
Mehr zum Thema: Students.ch/Free
von Tamara Deluigi
Students.ch: Frau Dr. Hüberli-Zahner, könnten Sie sich heute eine Welt ohne Pille vorstellen?
Dr. med. Barbara Hüberli-Zahner: Eigentlich nicht mehr, nein. Unsere Welt und so wie wir sie organisiert haben, würde ohne Verhütung in dieser Weise nicht mehr funktionieren. Und in den meisten Fällen ist dies eben eine hormonelle Verhütung. Vor allem auch als Frau die Möglichkeit zu haben, zu bestimmen, wann man schwanger wird und wann nicht, das ist fast nicht mehr wegzudenken.
Denken Sie, dass unsere Welt heute anders aussähe, ohne die Erfindung der Pille?
Barbara Hüberli-Zahner: Ja, ich denke schon. Gerade auch bezüglich der Frauen. Bei den Studierenden ist es ja auch so, dass mittlerweile über 50% Frauen sind und das wäre ohne Pille fast undenkbar. Das ist in Entwicklungsländern noch deutlicher zu sehen. Wo die Frauen den Zugang zu solchen Verhütungsmitteln nicht haben, ist die Gesellschaft noch anders organisiert. Denn Enthaltsamkeit zu leben und nur dann Geschlechtsverkehr zu haben, wenn man schwanger werden will - ich glaube das ist ein Traum, das ist sehr unrealistisch.
Wer verhütet heutzutage mit der Pille? Wem empfehlen Sie die Pille?
Barbara Hüberli-Zahner: Das sind vor allem junge Patientinnen, die so verhüten. Der Vorteil an der Pille ist, dass die Nebenwirkungen relativ gering sind und die Verhütung sehr leicht rückgängig gemacht werden kann. Es ist also vor allem für Frauen eine gute Verhütungsoption, die sagen «momentan will ich keine Kinder, aber ich hätte dann irgendwann gerne einmal Nachwuchs,» und das sind halt typischerweise die Jungen. Ältere Frauen, bei denen die Familienplanung abgeschlossen ist, wünschen eher eine langfristige Lösung wie eine Unterbindung oder eine Spirale. Zudem ist es so, dass die Nebenwirkungen der Pille mit steigendem Alter zunehmen. Das Thrombosenrisiko, welches die Pille mit sich bringt wurde in letzter Zeit auch stark medial behandelt.
Sie haben es angesprochen, die Nebenwirkungen und die Folgen der Pille wurden in den letzten Monaten in den Medien sehr breit getreten, was bei vielen Frauen bedenken bezüglich der Pille ausgelöst hat. Sind diese Ängste berechtigt?
Barbara Hüberli-Zahner: Ich bin der Überzeugung, dass es Fakten gibt, und dass es sich lohnt, sich auch daran zu orientieren. Und die Zahlen sind eindeutig. Einerseits hat die Kontrollstelle für Heilmittel Swissmedic den Sachverhalt eingehend geprüft und getestet, ob einige Präparate gefährlicher sind als andere. Da kann man schon sagen, je höher ein Präparat dosiert ist, desto stärker sind die Nebenwirkungen. Ich versuche immer, den Frauen die Zahlen etwas näher zu bringen. Von jungen Frauen, die gesund sind und keine Pille nehmen haben 2-3 pro 10'000 so eine Thrombose. Bei Frauen, welche die Pille nehmen sind es 4-5 pro 10'000 im Jahr. Bei diesen Zahlen kommt es jetzt natürlich darauf an, wie das ganze dargestellt wird. Sie können sagen „das ist enorm gefährlich, das Risiko ist doppelt so hoch“, was an und für sich eine korrekte Aussage ist. Auf die Gesamtheit gesehen sind es aber 0.05%, was nicht viel ist. Was man sicher immer wieder betonen muss ist, dass Übergewicht und Rauchen in Verbindung mit der Pille eine äusserst schlechte Kombination ist. Da kommt man schnell in einen Bereich, wo das Risiko auch relevant ist.
Wo sehen Sie – gegenüber anderen Verhütungsmethoden – die Vorteile der Pille?
Barbara Hüberli-Zahner: Der Vorteil ist sicher, dass man es sehr leicht rückgängig machen kann. Sie können ein Präparat probieren und wenn ihnen nicht wohl ist, kann man auf etwas anderes umstellen. Die Fruchtbarkeit kommt ja auch sehr rasch wieder zurück, also wenn sie eine Pille mehr als zwölf Stunden vergessen, dann haben sie den Verhütungsschutz schon nicht mehr, da der Körper bereits wieder umstellt. Und die Pille hat neben der Verhütung noch viele Zusatznutzen. Es gibt beispielsweise Pillen, welche auf die Haut einen guten Einfluss haben, Periodenschmerzen verringern oder die Dauer und Stärke der Blutungen beeinflussen. Und das ist sicher der Vorteil gegenüber anderen Verhütungsmethoden, der Nachteil ist, dass sie jeden Tag daran denken müssen.
Vor 50 Jahren kam die erste Pille auf den Markt. Wie haben sich die Präparate seither verändert?
Barbara Hüberli-Zahner: Die Präparate, die man am Anfang gehabt hat, sind nicht zu vergleichen mit den heutigen tief dosierten Produkten. Die Pille war vor 50 Jahren eine regelrechte Hormonbombe. Auch der Schritt, dass man jetzt ein Körpereigenes Hormon in den Präparaten verwendet, ist ein enormer Fortschritt; die Nebenwirkungen können so weiter vermindert werden.
Wie wird sich die Pille ihrer Meinung nach in Zukunft noch verändern?
Barbara Hüberli-Zahner: Die Forschung geht natürlich weiter und ich kann mir gut vorstellen, dass sich die Einnahmeschemen vereinfachen, dass die Dosis weiter verringert wird, und dass man weiter Inhaltsstoffe mit einbezieht, die besser verträglich sind. Auch dass die Zusatznutzen, wie z.B. die Auswirkungen auf die Haut, weiter ausgebaut werden können. Ich denke da wird in Zukunft noch einiges möglich sein.
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