Josephsohn Bildhauer
Christina Ruloff - „Ich denke in Plastiken.“ Matthias Kälin und Laurin Merz öffnen die Welt des grossen Bildhauer Hans Josephsohn und schaffen ein Verständnis für seine Kunst in ihrem hervorragenden Dokumentarfilm. „Keine Arbeit entsteht ohne eine Vorstellung, die sich dann verändern ka...
„Keine Arbeit entsteht ohne eine Vorstellung, die sich dann verändern kann“, erklärt Hans Josephsohn. Von aussen dringt kaum Lärm in sein Atelier, wo der lange in Kunstkreisen als Geheimtipp gehandelte und seit der Jahrtausendwende in der breiten Öffentlichkeit anerkannte und geachtete Bildhauer arbeitet. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, dass sein Werk „eine glaubwürdige ästhetisch bedeutende Antwort auf die Brüche und Verwerfungen innerhalb moderner Plastik verkörpert.“
Der Dokumentarfilm Josephsohn Bildhauer hat es sich zum Ziel gemacht, zu zeigen, wie Kunst entsteht und wie diese Kunst rezipiert und verstanden werden kann. Wer einen Blick auf eine Skulptur Josephsohns wirft, kommt nicht umhin zu bemerken, dass dies, das Rezipieren und Verstehen von Kunst, ein nicht ganz einfaches Unterfangen darstellt. Um uns an diesen Prozess heranzuführen, beobachtet die Kamera aber Josephsohn bei der Arbeit, beim Auftragen von Gips, beim Abschaben oder Abschlagen des Gipses, beim Vergleichen, Warten, Sinnieren und Staunen, beim Entstehen von Kunst. Ab und dann gibt der Künstler einen scharfsinnigen und ironischen Kommentar und erklärt, was er gerade warum und wie tut; und was für eine Wirkung er hinter seinen Skulpturen zu entdecken glaubt.
Dass man diesem bedeutenden Künstler gerne und gespannt 80 Minuten lang bei der Arbeit, beim kreativen Entstehenlassen einer Skulptur zusieht, liegt an der hervorragenden Kameraführung von Matthias Kälin (Martha Argerich, conversation nocturne, Hardcore Chambermusic, Hyènes), der zusammen mit Laurin Merz (Die Pionierfamilie Piccard, Taiwan Jetlag) das Buch geschrieben und Regie geführt hat. Die beiden verzichten auf unnötige Effekte, dramaturgische Kniffe zur „Spannungssteigerung“ der Story, sondern vertrauen voll und ganz auf die Ausstrahlung der Skulpturen und die Persönlichkeit von Josephsohn. Sie beobachten, zeigen und lassen zugleich Künstler und Publikum Zeit, sich auf die Werke einzulassen. Dabei sind die Bilder oder Ausschnitte nie beliebig, sondern führen fortwährend zur Annäherung zwischen Zuschauer und Kunst. Die zu Anfang etwas gewöhnungsbedürftige Musik von Alfred Schnittke schafft immer wieder Abstand, das Objekt von neuem zu betrachten und wahrzunehmen.
Eine weitere Stärke dieses im besten Sinne altmodischen und zugleich modernen Dokumentarfilms ist der vollständige Verzicht auf ein belehrendes oder väterliches Voice-over. Die einzige Person, die zu Wort kommt, ist Josephsohn selber, und das ist gut so. Schliesslich sind es seine Figuren und seine spärlichen Äusserungen („Ich denke in Plastiken; das tun die meisten Leute ja nicht.“), die die entrückte Atmosphäre ausmachen, und nicht seine Vergangenheit, über die glücklicherweise wenig gesprochen wird, so dass eine mögliche autobiographische Sinnsuche und biographische Deutungen des Werks gar nicht zugelassen werden.
Am Ende hat das Publikum tatsächlich ein Verständnis für die Skulpturen Josephsohns gewonnen und sieht sie in einem völlig anderen, neuen Licht. Mehr können sich die beiden Regisseure Matthias Kälin und Laurin Merz gar nicht wünschen!
Bewertung: 5 von 5
Originaltitel: Josephsohn Bildhauer
Land: CH
Genre: Dokumentarfilm
Dauer: 80 Minuten
Regie: Matthias Kälin, Laurin Merz
Verleih: Look Now
Kinostart: 10.5.2007
Das Interview mit den Regisseuren Matthias Kälin und Laurin Merz!
Die Premiere findet am 6. Mai um 12.15 im Arthouse Le Paris in Anwesenheit der Regisseure und des Künstlers Hans Josephsohn statt!