„Ja klar, setz dich nur hin!“
Marco Büsch - Die Uni kann ein wirklich gemütlicher Ort sein. Man muss nur aufpassen, dass sich nicht die falschen Personen bei einem an den Tisch setzen. Ein kleiner Erlebnisbericht. Ich habe ja sonst keine Probleme.
Oder letztens sass ich zum Beispiel an einem der kleinen Tische in der Nähe des Haupteinganges und quälte mich durch langatmige Ausführungen des Herrn Aristoteles (siehe letzte Kolumne letzte Woche). Ich war müde und ich wollte eigentlich nur endlich diesen sicher sehr wichtigen, aber in diesem Moment sehr nervigen Text zu Ende lesen, da trat eine junge nette Dame mit einem Laptop an meinen Tisch und fragte höflich, ob sie sich dazusetzen dürfte. Ich bejahte natürlich, ich bin ja kein Unmensch. Und damit öffnete ich die Pforte zur Hölle, denn kaum hatte sie sich hingesetzt, bildete sich neben ihr eine lange Schlange mit jungen Studenten, die sich in irgendeinen Fachverein einschreiben wollten. Oh ja natürlich, jemand vom Fachverein – ich hätte es schon am überfreundlichen Grinsen beim Hinsetzen erkennen können. So sind sie halt die Fachvereinsleute: Immer gut gelaunt. Immer kommunikativ. Nein, wirklich kein Problem, stör mich nur beim Texte lesen. Ist ja sowieso a piece of cake dieser Aristoteles, Gopfertammi! Nun denn, es wurden Mitgliederbeiträge bezahlt, E-Mail-Adressen eingetippt und so weiter und so fort. Ich versuchte weiter zu lesen, aber es ging nicht: Die Dame schien eine besondere Wirkung auf die Männer zu haben, denn jeder Einzelne versuchte auf Teufel komm raus mit ihr zu flirten. Das war ein bisschen wie früher „Swissdate“ auf Tele Züri: Manchmal lustig und vielfach einfach nur unendliche Fremdscham. Mein Liebling war der eine, der fragte, ob er auch mit schwedischen Kronen bezahlen dürfte, weil er eben gerade in Stockholm gewesen sei (oh Wunder!) und ob sie auch schon in Stockholm gewesen sei („nein.“) und es ist wirklich schön dort („aha.“) und er studiere extrem gerne das Fach, dass sie zusammen studieren („Dann bist du ja am richtigen Ort. Du, weißt du, die Anderen müssen auch noch bezahlen...“) und er möge vor allem diesen und diesen Autor („aha. Aber Franken hast du auch? Die Pause ist eben fast um“) und so weiter und so fort. Es war wirklich komisch anzusehen, wie dieser junge Mann es fertig brachte, dass gegen Ende überbordende Desinteresse des Gegenübers einfach zu ignorieren, um den eigenen Flirt-Sermon knallhart durchzuziehen. Aber vielleicht funktioniert das ja. In diesem Falle wohl eher nicht. Nun ja, aber amüsant war es auf alle Fälle.
Ich habe mir überlegt, dass ich jetzt auch mit dem „table crashen“ beginne, so als eine Art Performance: Ich frage höflich, ob ich mich vielleicht kurz hinsetzten könnte und wenn die Person bejaht, springen ungefähr zehn Leute hinter einer Ecke hervor und setzen sich auch dazu. Und dann beanspruchen wir den ganzen Platz und reden total laut. Einfach so. Ich weiss jetzt zwar nicht, was bei dieser Performance der Mehrwert sein soll, aber das ist ja auch das Schöne bei der Kunst: Es braucht keinen. Wenn also jemand mitmachen will, kann er sich gerne bei mir melden – je mehr, desto besser. Und sonst hocke ich halt wieder alleine an einen Tisch. Muss ich ja wohl. Der Aristoteles liest sich leider nicht von selbst.
(Bildquelle: http://de.yelp.ch/biz_photos/-cEh47zl_XSt3hvXXeH_LQ?select=X0hZYg_kzyUurmpY0zZW6w#X0hZYg_kzyUurmpY0zZW6w9)