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1. Mai 2007, 00:00 Interview

Travis

Silvan Gertsch - Dreieinhalb lange Jahre liessen uns Travis im Regen stehen. Jetzt erscheint endlich ihr neues Album 'The Boy With No Name'. Bassist Dougie spricht darüber im Interview. Dreieinhalb Jahre sind eine lange Zeit. Was habt ihr seit dem Release eures letzten Studioalbums „12 Memorie...

Dreieinhalb lange Jahre liessen uns Travis im Regen stehen. Jetzt erscheint endlich ihr neues Album 'The Boy With No Name'. Bassist Dougie spricht darüber im Interview.

Dreieinhalb Jahre sind eine lange Zeit. Was habt ihr seit dem Release eures letzten Studioalbums „12 Memories“ gemacht?

Dougie Payne: Wir beschlossen, eine Pause vom Musikbusiness zu nehmen. Wenn man eine Band gründet, wendet man 90 Prozent der Zeit dafür auf, Musik zu machen und zehn Prozent dafür, über die Musik zu sprechen. Wenn man erfolgreich wird, ändert das. Auf einmal sprachen wir 90 Prozent über die Musik. Deshalb nahmen wir eine Auszeit. Wir machten zwar weiterhin Musik, aber für uns, weil wir das wollten. Im November 2004 begannen wir dann mit Brian Eno zusammen zu arbeiten, während zweieinhalb Jahren hatten wir einfach Spass. Das Album formte sich während dieser Zeit selber. Daneben gab es in unseren Leben Hochzeiten, Kinder, Häuser, Freunde... Alles Sachen, die man braucht. Man muss leben und engagiert sein, damit man überhaupt etwas hat, um Songs zu schreiben. Wenn man in einem grossen Haus hinter verschlossenen Toren wohnt und Angestellte hat, dann ist es möglich, dass man nicht mehr inspiriert wird.

Hattest du nie angst, dass es mit der Band vorbei sein könnte, nach einer so langen Pause?

Als wir unsere Pause machten, zischten auf einmal Snow Patrol, die Arctic Monkeys und weitere Bands an uns vorbei. Das hat uns ziemlich irritiert und wir beschlossen, das einfach zu ignorieren. Aber während wir an unserem Album arbeiteten, merkten wir, dass es immer besser wurde und dass wir uns weiterentwickelten. Deshalb sagten wir uns, dass wir uns für die Aufnahme so viel Zeit lassen, wie nötig. Wir wollten einfach sicher sein, dass das fertige Album so gut sein würde, wie möglich. Das war sehr befreiend für uns.

Fühlt es sich jetzt trotzdem wie ein Comeback an für euch, auch wenn ihr die ganze Zeit Musik gemacht habt?

Nun, ich verstehe, dass es wie ein Comeback aussehen kann. Aber das war es überhaupt nicht. Eben gerade weil wir so lange an der Musik gearbeitet haben. Drei Jahre sind eine lange Zeit, um ein Album zu machen. Es ging zwar nicht so lange wie bei den Guns’n’Roses, aber trotzdem ist es eine lange Zeit.

Wie präsent ist eigentlich der schreckliche Unfall von Neil heute noch?

Nach Neils Unfall und nach dem Erfolg der vergangenen Jahren mussten wir uns beweisen, ob wir es noch schaffen. Das war sehr motivierend für uns, auch wenn wir nicht viel darüber gesprochen haben. Es war eine dunkle Zeit für uns. Und es war wie eine erfolgreiche Therapie. Wir sind heute jung genug, um auf die Bühne zu gehen und loszulegen, aber alt genug um zu wissen, was wir können. Selbsterkenntnis ist schwer zu erreichen. Wir wissen heute, wer Travis ist. Aber ich weiss nicht, wer ich bin...

„The Boy With No Name“ sei bereits im letzten Dezember fertig gewesen...

Ja, nun, wir hatten ein paar Unterbrüche während der Aufnahme. Wir waren schon vor einem Jahr fertig mit dem Album und übergaben es an die Plattenfirma. „This is it.“ Aber nach ein paar Wochen merkten wir: “Oh no, that’s not right.” Gebt es uns zurück, wir müssen das noch einmal überarbeiten. Dreimal waren wir insgesamt so weit, dass wir gedacht haben, dass das Album fertig sei. Letztlich ist ein Album aber erst fertig, wenn man wieder ruhig schlafen kann. Wir haben auch nach Dezember noch zwei Songs aufgenommen, die jetzt auf der CD sind: „Battleships“ und „One Night“.

Gibts noch Songs auf dem Endprodukt, die bereits auf eurer ersten vermeintlich fertigen Version vertreten waren?

Closer, My Eyes, Colder, New Amsterdam, 3 Times You Lose… Etwa mit der Hälfte der Platte leben wir schon lange Zeit zusammen. Deshalb wussten wir, dass sie ausdauernd sind und dass sie nicht nach kurzer Zeit verblassen. Einige der Stücke kennen wir bereits seit dreieinhalb Jahren, aber sie sind immer noch neu für uns. Das ist aufregend. Zum ersten Mal seit unseren ersten beiden CDs hatten wir wieder die Möglichkeit, mit unseren Songs „zu leben“.

Du sagtest, dass das neue Album positiver sei als der Vorgänger. War es schwierig, in diese Richtung zu gehen, und die typische Travis-Melancholie beizubehalten?

Nein, das war überhaupt nicht schwierig, weil es keine Entscheidung war sondern nur wiederspiegelte, wie wir uns fühlten. Es war ein natürlicher Prozess. Es gab keine Pläne, dass es ein positives Album werden würde. Man kann kein Album aufnehmen. Man nimmt individuelle Songs auf, stellt sie zusammen und schaut, wie sie funktionieren. Aber natürlich rennen wir jetzt nicht über grüne Wiesen und freuen uns, dass alles fantastisch ist. Wir sind nicht bekloppt. Und ausserdem gibts trotz des positiven Gefühls viel Melancholisches auf dem Album.

Britney ist verrückt geworden, Robbie macht Electro und Oasis haben ihre besten Jahre hinter sich. Wird „The Boy With No Name“ das Pop-Business retten können?

(lacht) Ich habe keine Ahnung. Schau die Leute an, das ist eine Schande. Die wurden ausgepresst und fallengelassen. Jetzt werden andere Künstler gesucht, die man wieder auspressen kann. Das passiert uns nicht, unsere Band existiert schon lange in der ursprünglichen Zusammensetzung. Seit elf Jahren sind wir die gleichen vier Leute. Ich denke nicht, dass irgendeine CD die Musikindustrie retten kann, weil sie von sich aus einfach weiter und weiter geht. Aber wenn Leute unser Album mögen, wird es wieder so abgehen können, wie damals mit „The Man Who“. Wir haben gemacht, was wir tun konnten für die Platte. Wir haben die beste CD gemacht, die wir machen konnten. Mehr können wir nicht beeinflussen.

Ben Stiller spielt eine Rolle in eurem Video zu „Closer“. Wie kams dazu?

Wir wollten einen Hollywoodstar im Video haben (lacht). Es geht immer nur um die Hollywoodstars. Ben ist ein Freund von uns, der auch an unsere Shows kommt, wenn wir in seiner Gegend spielen. Ein liebenswürdiger Typ. Es gab im Video die Rolle des Shop-Besitzers, die wir besetzen mussten. Fran hatte die Idee, Ben eine Mail zu schicken und ihn anzufragen. Nur so für den Fall – wir fandens lächerlich, ihn anzufragen. Ben hatte allerdings gerade einen freien Tag, wir flogen nach L.A., gingen in den Supermarkt und drehten das Video. Es war grossartig, einen richtigen Schauspieler dabei zu haben. Wenn Bands in Videos agieren müssen, sieht das meistens schlecht aus. Aber jemanden wie Ben dabei zu haben, machte die Sache interessant.

Spielt ihr bald in einem Hollywood-Film mit?

Ich denke nicht. Wir sind noch nicht auf diesem Standard angekommen. Aber vielleicht versuchen wir es mal, wer weiss.

Was für eine Art Film sollte es sein?

Ein Musical (lacht).

Früher hast du Skulpturen gemacht. Ist das immer noch aktuell?

Das ist schon Jahre her. Ich liebe die Kunst und Künstler noch immer. Ich sammle auch immer noch Kunst und gehe viel an Kunstausstellungen. Übrigens bin ich öfter dort anzutreffen, als an Konzerten. Aber ich kaufe bedeutend mehr CDs als Bilder. Ich habe heute einfach nicht mehr genug Zeit, um Skulpturen zu machen. Dafür benötigt man viel Zeit und Platz.

Wenn die Musik von Travis eine Skulptur wäre, wie würde sie aussehen?

Oh mein Gott, das ist hart! Es wäre etwas wie die „Endlose Skulptur“ von Brancusi. Diese hohe Säule. Die ist einfach und wunderschön. Und sie versucht, etwas zu erreichen. Aber sie weiss nicht genau, was sie erreichen will.

Du weisst also auch nicht, was ihr mit der Band erreichen wollt?

Das weiss niemand. Man hat natürlich ein Ziel vor Augen. Wir sind eine Band, wir wollen etwas erreichen wie Bob Dylan oder Joni Mitchell. Deren Songs werden auch nach vierzig Jahren noch gehört. Aber man weiss nicht, wie man das erreichen kann. Man zielt einfach in diese Richtung.

Ihr könnt euch also auch vorstellen, wie die Rolling Stones auch in hohem Alter noch aufzutreten?

Nein, es geht nicht ums Auftreten. Nur die Songs sollen in vierzig Jahren noch bestehen. Ob die Band so lange besteht, weiss ich nicht. Wer weiss das schon. Ich kann mir nicht vorstellen, mit sechzig Jahren noch auf einer Bühne zu stehen. Andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, sechzig Jahre alt zu sein.

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