An Inconvenient Truth
Joel Bedetti - Fast-Präsident goes Sisyphus: Davis Guggenheims Dokumentarfilm begleitet Al Gore auf seiner Odyssee, um Amerika und den Rest der Welt über die Folgen des Global Warming zu aufzuklären. Very american: Gore macht auf Effekte und MultimediaProlog: Wir alle erinnern uns sicher noc...
Very american: Gore macht auf Effekte und Multimedia
Prolog: Wir alle erinnern uns sicher noch an die verhängnisvollen Sommertage im Jahre 1999, welche dem weiteren Gang der Weltgeschichte ihren Stempel aufdrücken sollten. Ein klischeeüberladener Texaner bezwang im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft in einem denk- und merkwürdigen Verfahren den bisherigen Vizepräsidenten und Demokraten Al Gore. Nicht unerheblich zum Ausgang des erbitterten Kampfes trug – welch Ironie – der grüne Kandidat Ralph Nader bei, welcher das kleine Linkslager der USA spaltete und Gore die nötigen Stimmen „klaute“. Amerika und der Welt hat er damit wohl eher einen Bärendienst erwiesen.
Nun denn, es ist müssig, über den fiktiven Fortgang der Geschehnisse bei einem Sieg Gores zu spekulieren. Fakt ist: Präsident Bush ratifizierte das Kyoto-Protokoll nicht, sondern lockerte die bereits liberalen Umweltauflagen in den USA weiter. Amerika ist mit seinen rund drei Prozent Anteil in der Weltbevölkerung weiterhin für den grössten Teil des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich.
Diese Tatsache liess Al Gore nach seiner schmerzlichen Niederlage und seinem Abgang aus der hohen Politik keine Ruhe. Der ehemalige Vize ist als Klimakämpfer keineswegs ein Spätzünder, sondern gehört zu den Warnrufern der ersten Stunde. Bereits als Student, später als Kongressabgeordneter und Senator versuchte er Washington mit den ersten öffentlichen Anhörungen in den Legislativkammern zum Thema Global Warming wachzurütteln – und stiess auf taube Ohren.
Bleibt zu hoffen, dass sein zweiter Anlauf im neuen Jahrhundert mehr Wirkung zeigt: Mit seiner Multimediashow gastierte der Idealist seit dem Milleniumswechsel in bisher über 1000 Städten, um Politikern, Unternehmern und vor allem einfachen Bürgern die unbequeme Wahrheit zu verkünden. Denn die Zeit rennt davon, und die ökologische Bombe tickt. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren unsere Lebensweise nicht fundamental ändern, so Gore, steuern wir auf eine Katastrophe ungekannten Ausmasses zu – und die Zahlen geben Gore Recht.
Fast schon romantisch: Der einsame Kämpfer gegen die drohende Katastrophe
Der Film an und für sich ist – ähnlich wie in den informationslastigen Dokumentationen We feed the world und Darwins Nightmare - keineswegs spektakulär. Aufmerksamkeit kann sich Die unbequeme Wahrheit in erster Linie ihres brisanten Inhalts wegen erhoffen. Der Handlungsrahmen basiert auf einer live mitgeschnittenen Präsentation und lässt Al Gore in einigen Zwischensequenzen über seine persönlichen Motive und Erfahrungen, welche ihn in seinem unermüdlichen Kampf gegen das folgenreiche Konsumverhalten der wohlhabenden Erdbewohner antreiben, referieren, Dabei kann sich Davis Guggenheim einer leicht pathetischen Inszenierung des Filmhelden nicht entziehen – Im Gegensatz zu europäischen Filmrezensenten werden amerikanische Kinobesucher jedoch über diese emotionale Betonung sicherlich leichter hinwegsehen. Der Wechsel zwischen den verständlich vermittelten Informationen zur Klimaveränderung während der Präsentation und den Einschüben über die Person Al Gores lassen dem Zuschauer Zeit, die erschreckenden Fakten zu verdauen. So hat sich der Film sein Adjektiv im Titel - entgegen manchen Befürchtungen - nur in inhaltlicher Weise zum Programm gemacht.
Fazit: Informativ und kurzatmig - So müssen erfolgreiche Dokumentarfilme sein. Und so wird sich die unbequemen Wahrheit hoffentlich in eine Reihe mit den publikumswirksamen Streifen Herbert Saupers und Erwin Wagenhofer einfügen können.
Bewertung: 5 von 5
Tag und Nacht ist Gore auf seiner Mission
Originaltitel: An inconveniant truth
Genre: Dokumentarfilm
Land: USA
Regie: Davis Guggenheim
Darsteller: Al Gore
Dauer: 100 Minuten
Kinostart: 19.10.2006