Vier Tage in Locarno: 4
Gregor Schenker - Und schon ist das Festival del film Locarno wieder vorbei. Am letzten Tag gab's südafrikanische Diebe, Nächte auf dem Pier und den offiziellen Abschlussfilm – der zugleich den Tiefpunkt unserer Locarno-Tage darstellt. Dafür wissen wir auch endlich, wer die ganzen Preise gewonnen hat.
Und die Oasi Casablanca hat sich ein letztes Mal von ihrer besten Seite gezeigt: Wo sonst lässt es sich so herrlich in den Schatten legen, während man ein Dattel-Eis isst? Trotz der stolzen Preise fürs Mittagsmenü: Die Oase wird fürs nächste Jahr vorgemerkt.
Mapantsula (Open Doors)
Von Oliver Schmitz, Südafrika/Grossbritannien 1988
Panic ist ein Kleinkrimineller aus Johannesburg, der Weisse bestiehlt und Anzüge klaut. Als er sich mit seiner Freundin verstreitet und ihr nachstellt, landet er in der Folge als politischer Häftling im Gefängnis.
Die Reihe Open Doors zeigt Filme aus Entwicklungsländern, dieses Jahr aus dem Afrika südlich der Sahara. Mapantsula, die erste Regiearbeit von Oliver Schmitz (Türkisch für Anfänger), stellt eine kleine Herausforderung ans Publikum: Dank der verzettelten Erzählweise voller Zeitsprünge. Dass es trotz des Sprachenmix (Zulu, Afrikaans, Englisch) nur französische und holländische (!) Untertitel gab, half nicht grad.
Dennoch: Das Thema hält einen gefesselt und als Zeitdokument ist der Film grandios.
Nuits blanches sur la jetée (Concorso internazionale)
Von Paul Vecchiali, Frankreich 2014
Ein Mann trifft eine Frau auf einem Pier, wo sie auf ihren Geliebten wartet. Die beiden sehen sich mehrmals wieder, reden miteinander und verlieben sich.
Basierend auf Dostojewskis Novelle Weisse Nächte, ist Vecchialis Film in erster Linie ein abgefilmtes Kammerspiel: Der Spielort bleibt stets derselbe, Schnitt und Kameraführung existieren kaum. Wir haben nur zwei Schauspieler, die miteinander reden, in einem leicht abgehobenen Ton, weitgehend emotionslos.
Als Idee äusserst interessant, in der Umsetzung jedoch eine titanische Herausforderung an Geduld und Aufmerksamkeit. Mitunter meint man, eine Parodie auf französisches Arthouse zu sehen (es gibt ein Segment in Schwarzweiss).
Geronimo (Piazza Grande)
Von Tony Gatlif, Frankreich 2014
Lucky liebt Nil und umgekehrt, zusammen nehmen sie Reissaus. Das macht ihre jeweiligen Gangsterfamilien so wütend, dass ein handfester Bandenkrieg hochkocht. Eine Sozialarbeiterin, von allen Geronimo genannt, versucht zwischen den Fronten zu vermitteln.
Es hat schon seine Logik, einen miesen Streifen als Abschlussfilm zu nehmen – danach ist man wenigstens froh, dass das Festival vorbei ist. Diese Variante der Romeo-und-Julia-Story tötet schnell den letzten Nerv, dank einer hysterischen Inszenierung und völlig verblödeten Protagonisten. Besonders Nil und Lucky sind kaum zu ertragen, aber im Gegensatz zu Shakespeare hat Gatlif nicht den Anstand, seine Turteltauben umzubringen.
Die Preisträger
An der Abschlussveranstaltung wurden dann auch gleich die ganzen Preise verliehen. Den goldenen Leoparden für den besten Spielfilm gewann der philippinische Regisseur Lav Diaz für Mula sa kung ano ang noon (siehe Titelbild). Ein mehr als fünf Stunden langes (!), schwarzweisses Drama über die Marcos-Diktatur auf den Philippinen.
Als bester internationaler Kurzfilm wurde Abandoned Goods ausgezeichnet, der von Kunstwerken von Psychiatriepatienten handelt.
Den Publikumspreis wiederum holte sich Peter Luisi mit Schweizer Helden: Da geht's um eine Frau, die mit Asylbewerbern Wilhelm Tell inszeniert.
Für alle weiteren Preisträger: hier klicken.
Impressionen vom Festival
Wenn man sich vom Bahnhof her zum Festivalzentrum begibt:
Die Piazza Grande mit ihren 12'000 Stühlen:
Die herrliche Oasi Casablanca:
Und das war's auch schon. Bis zum nächsten Mal.