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1. Oktober 2008, 17:53 Movie

Der Baader Meinhof Komplex

Christina Ruloff - Ein kleines bisschen Wildwest: Bernd Eichinger, die Emanation des erfolgreichen deutschen Filmes (Das Parfüm, Christiane F.) bringt nach „Der Untergang“ ein weiteres grosses Kapitel der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts auf die Leinwand: Die Zeit der RAF. Um „zehn ...

Ein kleines bisschen Wildwest: Bernd Eichinger, die Emanation des erfolgreichen deutschen Filmes (Das Parfüm, Christiane F.) bringt nach „Der Untergang“ ein weiteres grosses Kapitel der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts auf die Leinwand: Die Zeit der RAF.

Um „zehn Jahre Zeitgeschichte in eine erlebbare Form zu giessen“, bedient er sich der sogenannten „Fetzendramaturgie“ – er schildert nach dem gleichnamigen Standardwerk von Stefan Aust in mehr oder weniger historisch „korrekter“ Abfolge die wichtigsten Ereignisse zwischen dem 2. Juni 67 (als Proteste beim Besuch des Schahs in Berlin von der Polizei brutal niedergeschlagen und der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde) und dem 19. Oktober 77 (als der von der 3. Generation der RAF entführte Wirtschaftsfunktionär Hanns Martin Schleyer erschossen wurde).

"Ho Chi Minh! - Ho Chi Minh!" Rudi Dutschke demonstriert gegen die imperialistischen Staaten - bevor er von Josef Bachmann lebensgefährlich angeschossen wird (Motiv: "Ich kann keine Kommunisten leiden.)

In Deutschland hat das Werk die obligate Kontroverse ausgelöst – die eigentlich immer entsteht, wenn die eigene Vergangenheit thematisiert und seziert wird: Während die FAZ hämisch über den Film herzieht, kommt bei vielen anderen Medien eher Gleichgültigkeit als Begeisterung zum Ausdruck. Immerhin hat Wim Wenders in einem empörten Leserbrief an die FAZ (die seine Kritik zum „Untergang“ – „Der Film überlässt den Zuschauern die Haltung, die er selbst nicht hat oder höchstens vortäuscht“ – auf den Baader Meinhof Komplex transferiert hat) deutlich gemacht, dass ihm die neuste „Bernd - Eichinger -Produktion“ nicht nicht gefällt.

Was bei den deutschen Intellektuellen Unbehagen auslöst, ist nicht etwa die Haltungslosigkeit des Films. (Eichinger hat sehr dezidierte Meinung zu der RAF und vertritt sie auch deutlich.) Es ist die Eindimensionalität, die die Ereignisse nicht als Reaktion auf tiefe strukturelle gesellschaftliche Missstände in der jungen BRD interpretiert und so sozi-ökonomische Zusammenhänge aufzeigt, sondern als westernartiges Spektakel, in dem irre viel passiert: Es geht also in erster Linie um Unterhaltung:

Entsprechend dieser dürftigen Deutung lässt der Film es in den folgenden 150 Minuten krachen. Und wir sehen zwischendurch, wie eine arrivierte intellektuelle, aber von der Gesellschaft frustrierte Journalistin mit den „falschen“ Leuten zusammenkommt, und militant wird, um sich bei ihnen anzubiedern. Ihren eigentlichen Kampf führt sie aber noch immer mit der Schreibmaschine, wo sie unmenschliche Dinge wie: „Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. (...) Und natürlich kann geschossen werden“, schreibt. Als Ulrike Meinhof verhaftet wird, bricht sie vor Angst jedoch zusammen. Auf der anderen Seite steht ein cholerischer, junger Mann, der nicht einmal über rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse verfügt und schon oft mit der Polizei wegen Rande in Kontakt kam; der Hasstiraden gegen Kapitalisten und „Fotzen“ vom Stapel lässt. Andreas Baader entblödet sich nicht, auch inkognito in Deutschland, mit einem gestohlenen Auto so schnell durch die Vorstädte zu brettern, dass er von einer Streife aufgelesen wird. Richtig demaskierend ist jedoch der gemeinsame Auftritt vor Gericht. Um den Verhandlungen nicht beiwohnen zu müssen, bezeichnet Meinhof den Richter als Arschloch. Und als dieser nach Pavlowschem Reflex mit dem empörten Verweis reagiert, geniessen die RAF – Mitglieder ihrer Triumph übers System ostentativ: Es geht hier nicht um politischen Prostest, um Solidarität mit den von den Imperialisten versklavten Ländern, sondern nur darum, den Eltern, den Vätern, dem Establishment die Zunge rauszustrecken.

Eine von der Zeit mitgerissene und verwirrte Frau (Martina Gedeck) - „Bei der ersten Begegnung mit Ulrike Meinhof sagte ich: Sie reden, wie ich es zuletzt von meinem nationalsozialistischen Führungsoffizier im Krieg gehört habe. Der erzählte uns von der Zukunft der Welt und Deutschlands Aufgaben dabei.“ Joachim Fest

Eichinger und sein Freund und Regisseur Uli Edel mögen die Attentate und Handlungen der RAF minutiös nachzeichnen, dadurch werden Zeitgeist und Umbruchsatmosphäre jedoch nicht nachvollziehbarer. Zum Unverständnis gesellt sich leichtes Amüsement (wenn die RAF-Mitglieder in den palästinensischen Terroristencamps wegen Ungezogenheit und falscher Hippie-Mentalität anecken, oder nach einem Banküberfall wie der grosse Klassenfeind Dagobert Duck im Geld baden) und Ekel.

Und für diese Faktensammlung braucht es weder die Crème de la Crème der deutschen Schauspieler (unter anderem Moritz Bleibtreu und Martina Gedeck als führende Terroristen, Bruno Ganz, Heino Ferch, Stipe Erceg und viele andere in kleineren Rollen), noch eine 150 Minuten lange, atemlos inszenierte und hervorragend geschnittene Gewaltorgie – ein kurzer Abriss der Geschichte reicht, es sei denn man ist auf viel Action und noch mehr deutsche Stars aus.

Bewertung: 2.5 von 5

  • Titel: Der Baader Meinhof Komplex
  • Land: D
  • Dauer: 150 Minuten
  • Drehbuch / Produzent: Bernd Eichinger
  • Regie: Uli Edel
  • Darsteller: Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck, Johanna Wokalek, Bruno Ganz
  • Verleih: Monopole Pathé Films
  • Filmstart: 2. Oktober
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