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Reding Street – Stone Wall: Dicker, epischer, lauter Pop

25.05.2012 à 11:16

Etwas stimmt nicht auf dem Planeten E, das haben mit 1% Ausnahme alle begriffen. Als alter Mensch mag einen das langsam kalt lassen, denn so war es immer. Als junger Mensch aber schaut man unsicher in die Zukunft und um die nächste Strassenecke. Mister Paranoia wohnt noch nicht in allen Köpfen, aber er macht gute Beute. Verunsicherung? Aber sicher. Angst? Ab und an. Verzweiflung? Immer öfters. Wut? Noch öfters. Ironie? Eine Luxushaltung. Fatalismus? Nicht wirklich der Treibstoff, mit dem der Weg in eine grossartige Zukunft in Angriff genommen wird. Politik? –– ? Die haben das doch alles vergeigt auf Planet E! Die, und die 1 % von der Wall Street ... Also doch Rock?

Die Zwangsjacke auf dem Cover

Protestrock geht heute nicht mehr. Revolte von unten funktioniert über «I like»-Rudel im Internet auch nicht wirklich. Man muss auf die Strasse, occupy and stay. Man muss in die Köpfe der Menschen, und in ihre Unterhosen. Und mit Musik geht das immer noch besser als mit Heilfasten, Karate oder konkordant-versauter Machtpolitik.

Reding Street sind 20, 21, 22 Jahre jung, dabei scheinen sie schon ewig mit dabei zu sein in der Musik-Community Basel. Kein Bandcontest ohne RS! Doch das war mal. Vom etwas ungelenken, aber supertalentierten Teenager-Trio hat sich die Band in den letzten vier Jahren zum Quartett und zur festen Nummer im Basler Rock- und Pop-Park hochgearbeitet. Manchen war ihre Musik zu kopflastig, zu perfektionistisch, wohl auch zu Emo, aber man muss die Kritiker und Nörgler reden lassen, bis sie verstummen oder zu alt sind, um ernst genommen zu werden. Mit dem Debutalbum Stone Wall stehen die Chancen dazu für diese junge Band besser denn je.

Es ist, zusammengefasst, ein beeindruckendes Teil lauten, transparenten ProgRocks, mit Zwangsjacke auf dem Cover, die vielfach deutbar ist. Und der Aufforderung der Band, Mauern niederzureissen («break the stonewall down/they have built around you»), sollten wir vielleicht selber in die Tat umsetzen. Und nicht den High-Tech-Baggern der fetten Bauunternehmer überlassen, die sowieso und immer die falschen Mauern einreissen.

Man rettet sich selbst

Die 11 Songs auf Stone Wall fügen sich zu einer hymnischen, dichten, nachdenklichen und aufbrausenden Sound-Wolke zusammen, die erhaben übers Land zieht und einen mitnimmt, obwohl man doch gerade scheinbar besseres zu tun hat. Vielleicht ist es ein Crossover-Meuchel-Wuchter wie der Song «Omniscient», der einen mitnimmt. Vielleicht die Ballade «Overkill». Vielleicht das mit Killerriffs aufgeladene «Rage» oder auch die Ausgelassenheit zwischen filigraner Melancholie und moshigem ProgRock wie in «Hunter». Oder vielleicht die ausgefuchste Komposition, die hymnische Selbstverständlichkeit von «Stone Wall», einem Song, der Pink Floyd, Madrugada oder Porcupine Tree ebenso mitdenkt wie der Glaube daran, dass die persönliche Botschaft aus tiefstem Herzen nicht falsch sein kann. Auch wenn sich andere das Maul darüber zerreissen, dass Klage, Wut, Lyrik, Parole und der Glaube an Veränderung doch völlig uncool seien. Na und? Man rettet nicht den Planeten, man rettet sich selbst.

Es lohnt sich. Was auch immer.

Getextet hat meist Bassistin und Co-Sängerin Selina Girod in eindringlichen Worten (nachzulesen im Booklet), das Schlagzeug von Tobias Herzog arbeitet tief und zuverlässig bis wahnwitzig im Maschinenraum der Band, wo der Rock zusammengehalten wird. Thomas Starzynskis Gitarrenarbeit ist bei den ganz Grossen angesiedelt und sein Gesang eine Wohltat im Krächz-Jahrzehnt des Plastik-Pops. Und schliesslich steuert Luca Corman, der neue Mann, mit den Keyboards einiges an das breite Spektrum des Sounds bei. Aufgenommen wurde Stone Wall in Krakau, Polen, wo Starzynskis Zweitheimat liegt. Wer das Vertrauen in den Euro verloren hat, sollte sich vielleicht polnische Zlotys kaufen wie Reding Street, keine schlechte Idee.

Brutally talented

Die Musikalität ist hochgradig beeindruckend, der Sound glasklar und gelassen. Hier ist nix mit Schrammel oder Garage oder Bubblegum Punk oder blassem, gefälligen Pop oder Betroffenheits-Fräulein-Pianofolk. Reding Street verlangen uns einiges ab und entlassen uns mit der Einsicht, dass es sich lohnt. Was auch immer. Fuck you all war gestern. Und Love you all vorgestern. Heute ist Machen. Auch mal mit dem grossen Hammer.

Und natürlich ist die Kopflastigkeit zum Teil noch da – vermutlich einfach, weil der Kopf noch da ist. Und: ein hohes Selbstbewusstsein gepaart mit einer gewissen Scheu, einem Zögern. Und natürlich ist Reding Street am Schluss doch dicker lauter Pop. Popular Music, brutally talented. Debut Album! Jede und jeder hat ein Zeitfenster on Planet E. Ihres fängt hier erst so richtig an. Wer diese Band unterschätzt, sollte sich fürs Aufwachen im Nachher schon mal ein paar gute Ausreden zurechtlegen. See you at the stadium, folks.

Reding Street – Stone Wall erscheint am 25. Mai 2012 über Irascible

Live

25. Mai: Kuppel Basel

28. Mai: Dynamo Zürich

Alle Daten

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