Sol Invictus
29.03.2014 à 16:27
Sonne, Fahrtwind. Wir hörten die ganze Zeit Snow Patrol auf Kassette. Es war unser Sommer und es sollten noch weitere folgen. Herbst sein kann es noch, wenn man tot ist. Es waren unsere ersten gemeinsamen Ferien in Italien, wir hörten die Songs die ganze Zeit im Auto. Du fuhrst. Immer. Du behieltest das Steuer in den Händen. Immer. Wie auch in der ganzen Beziehung. Vielleicht weil du besser Auto fahren konntest. Vielleicht auch nicht. Gewinnen war auch so ein Hobby von dir. Mir war das egal. Dieses verflixte siebte Jahr. Auch unsere Beziehung hielt nicht länger. Das Glück ist nur gemietet. Jedenfalls Autofahren konntest du besser, davon warst du überzeugt. Dein Vater war schliesslich Automech gewesen. Diese Gene hast du geerbt. Deine Mutter redete. Das konnte sie gut. Auch du beherschtest den Klatsch. Reden mochte ich, Tratschen nicht. Dieses Hintenherum-Geschnorre. Möglich, weil Jede jeden kannte. Davon wollte ich weg. Du wolltest bleiben.
Diese melodiöse Musik auf die viele Frauen abfahren. Es war nie mein Ding. Ich liebe böse Musik, den harten Metal, den aggressiven Rap. Und trotzdem diese zwei, drei völlig kitschigen Liebeslieder auf dieser einen Snow Patrol-Kassette. Ich mochte sie. Du auch. Vielleicht mochte ich sie deswegen? Heute höre ich sie wieder nach fast sieben Jahren Unterbruch. Aber nicht mit dir. Ich bin weg. Wir beide wollten es so. Sagtest du. Wahrscheinlich um mir nicht weh zu tun. Und auch ich redete mir so lang ein, bis ich es glaubte, dass wir diese Entscheidung gemeinsam gefällt hatten. Welcher Mann kann sich schon eine Niederlage eingestehen. Und ist eine gescheiterte Beziehung nicht letztlich das? Eine ganz persönliche Niederlage.
Ich hab mir extra den Songtext ausgedruckt. Ich summe mit im Kopf. (Singen war dein Metier. Ich sang nie, während du es tatest. Es wäre mir falsch vorgekommen, deine monumentalen Melodien durch mein Gekrächze zu zerstören. Und ich wollte nicht verlieren.) Habe mir während der Beziehung x-Mal ausgemalt, welchen Song ich bei einer allfälligen Trennung hören würde. Fatalistisch, schräg, ich weiss. Doch kein Text dieser dutzenden von berührenden Songs stimmte damals wirklich. Den Snow Patrol-Song zog ich nie in Erwägung. Und doch: als wir in diesem Sommer der Liebe das Lied hörten – die Musik, der Inhalt berührte mich schon damals besonders. Nur wusste ich zu jener Zeit nicht, wie unglaublich passend die Worte irgendwann sein würden. Es wird mir erst jetzt bewusst. Haben wir das Lied zuviel gehört? War es eine selbsterfüllende Prophezeiung?
Please don’t let this turn into something it’s notI can only give you everything I’ve gotI can’t be as sorry as you think I shouldBut I still love you more than anyone else could
All that I keep thinking troughout this whole flightIs it could take my whole damn life to make this rightThis splintered mast I’m holding on won’t save me longBecause I know fine well that what I did was wrong
Damit kann ich mich jetzt identifizieren. Das macht Sinn. Auch wenn diesen Text wohl ein paar ganz Kluge völlig verreissen würden. So wie alle Klugen immer etwas kritisieren müssen. Selbst, wenn die Sonne scheint. Und es nicht mehr schneit. Selbst das müssen sie kritisieren. Ich gehe aus dem Haus. Im Kopf hallt die letzte Songzeile nach „Please just save me from this darkness.“ Ich habe ein Mobility-Abo gelöst. Für ein paar Monate. Nun setze ich mich ans Steuer. Es ist Frühling. Fahrtwind. Ich mache die Musik an. Hier kommt die Sonne.