die Welt der andern
26.07.2007 à 11:35
Mama hat immer gesagt: "Denk an all die Kinder, die kein Zuhause, keine Familie haben. Denen geht es viel schlechter als dir"
Ich habe dann trotzdem weiter geheult, obwohl mir nicht mehr zum Weinen zumute war, nur aus Trotz. Kindliche Strategie. Aber ich war dann nicht mehr traurig. Und wenn Mama nicht hingesehen hat, bin ich ans Fenster gelaufen und habe mir vorgestellt wie es wäre im Regen oder Schnee draussen schlafen zu müssen. Als Kind hat mich das glücklich gemacht. Es hat mich mit meiner kleinen Welt versöhnt. Nach einem solchen Tag bin ich dann meist mitten in der Nacht zu Mama und Papa ins Bett gekrochen und keiner hat protestiert. Ich habe mich ganz fest an meinen Vater gedrückt, weil der so schön geschwitzt hat. In einer solchen Nacht konnte es nicht warm genug unter der Bettdecke sein.
Heute weine ich kaum noch. Aber hin und wieder, manchmal mehr und manchmal weniger, bin ich traurig. Und auch heute noch, ist mir dann mein Bett der liebste Ort auf der Welt. Nur das Wissen, dass es anderen noch viel schlechter geht als mir, hat etwas an tröstender Wirkung verloren. Ich werde dann noch trauriger und ganz schuldbewusst. Ich denke daran, wie elend diese Welt ist und das ich doch etwas unternehmen müsste. Und ich denke daran, wie winzig klein ich auf dieser Welt bin. Und ich werde wütend, weil sich immer alle über ihre Probleme beklagen. Alle jammern, weinen, trauern, klagen über ihr Elend. Dabei geht es doch anderen noch viel schlechter. Die haben kein Recht zu klagen. Und dann kommt mir in den Sinn, dass ich ja auch traurig bin, obwohl ich kein Recht dazu habe. Ich klage vielleicht nicht so laut und oft wie andere, aber Innendrin, da im Brustkorb, da bin ich nicht anders als alle anderen. Da ist mein Kummer genauso gross und schwer wie bei allen anderen. Vielleicht mit etwas mehr behagen bejammert, mit mehr Zuversicht beweint und mehr liebe beklagt. Wir sind wie alle anderen. Trotzdem ist unsere kleine Welt riesengross.
by Ischa