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Vie amoureuse

Je ne le dévoile pas

Tristan

02.10.2007 à 18:50

Heute habe ich Tristan* gesucht.. Ich war beim Zahnarzt, Weisheitszahn ziehen. In der Apotheke, Nikotinpflaster kaufen, die ich mir dann doch nicht leisten konnte und gegen Nikotinkaugummi eintauschen musste, welche ich nun nicht kauen kann, weil es doch zu sehr schmerzt. Ich war im Bahnhof, nur so, weil ich gerne dort bin. Weil ich mir gerne vorstelle, wohin die Menschen unterwegs sind, weil ich mir gerne vorstelle, selber irgendwohin unterwegs zu sein. Ich nahm die Treppe zum „Ryflyhof“-Ausgang, weil ich immer diesen Ausgang nehme. Weil ich einmal in dieser Strasse gearbeitet habe, weil diese Strasse in die Lorraine führt. Auf der letzten Treppenstufe streckte mir ein Bettler eine halbierte Blechdose entgegen. Ich kenne ihn, er kennt mich nicht. Ich blieb stehen, starrte verwirrt auf seine Blechdose. Ich warf etwas Kleingeld hinein. Meine Füsse waren auf dem harten Betonboden festgeklebt. Die beeilten Menschenströme flossen an mir vorbei, ohne dass sie mich wie gewöhnlich mitgerissen hätten. Dieser Mann mit dem trüben Blick und den hängenden Schultern, war nicht was ich erwartet hatte. Wo war Tristan? Nicht dass es allzu ungewöhnlich gewesen wäre. Er war nicht immer da. Er und sein Mädchen hatten noch andere Bettelplätze. Aber ich hatte ihn irgendwie erwartet. Auf ihn gewartet. Seit Jahren begrüsst mich sein krummes Lächeln am ende dieser Treppe. Seine etwas überdrehte Stimme und die schlaksigen Bewegungen. Die dünnen Arme, die Winter und Sommer immer im gleichen grauen Pullover stecken. Und sein Mädchen, sein Schatz, sein Engel, seine Sonne, seine Isolde. Seine Freundin mit den roten Haaren und grünen Augen, dieser leisen Stimme und dem rauen Lachen. Seit Jahren bringe ich den beiden zu Essen, Kleider, Zigaretten, Geld, manchmal auch nur ein kurzes Gespräch. Und wenn ich nichts habe, dann geben sie mir eine Zigarette und fragen wie es mir gehe. Und jedes Mal wenn ich Tristan umarme, spüre ich wie das fleisch an seinen Rippen weniger wird. Das letzte Mal, als ich ihn zum Abschied umarmt habe, konnte ich jeden einzelnen Knochen fühlen und ich habe ihn getadelt. Und jetzt war er nicht da. Ich starrte immer noch auf die Blechdose, als ich plötzlich einem gestressten Mann mit Mantel und Aktentasche im Weg stand. Erst als er mich aus dem Gleichgewicht brachte, konnte ich meine Füsse wieder bewegen. Ich taumelte ein paar Meter nach rechts, wo all die anderen sassen. Die Alkoholiker, die Abhängigen, die Heroinsüchtigen, die Verlorenen, die Verlassenen, die Verlassenden, die Vergessenen. Sie sassen da, wie immer, auf dieser Steinmauer am Bahnhof, tranken ihr Bier, rauchten Zigaretten und anderes. Der Boden um sie herum ist schwarz, schwärzer als dieses grau der Betonstrassen, schwarz vom Bier, Blut und den fallen gelassenen Hoffnungen. Ich suchte nach Tristan, oder seinem Mädchen. Bekannte Gesichter, doch kein Tristan. Und da erinnerte ich mich. Er war weg. Sie hatten ihm den Prozess gemacht. Er hatte es mir erzählt. Es war in der Zeitung. Ich war nicht da, als das Urteil gesprochen wurde. Aber egal, wie mild es ausgefallen sein mochte, er hat mindestens ein paar Jahre bekommen. Und nun ist er nicht mehr da. Ich frage mich, wo nun sein Mädchen ist, was sie wohl macht ohne ihn. Ich habe die beiden nie getrennt von einander gesehen. Ich könnte sie suchen. Ich könnte beide suchen. Irgendwie würde ich schon herausfinden wo sie sind. Aber was würde das ändern? Ich habe versucht ihnen zu helfen, aber in dieser Geschichte geht es nicht ums Helfen. Sie haben ihre eigene Geschichte. Ich war nur eine Seitennummer am Rande einer Erzählung. Sie sind nun zum nächsten Kapitel übergegangen und ich bleibe was ich bin, eine Seitennummer, die irgendwann umgeblättert wird.

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