Rezitation bei Regenwetter
22.11.2006 à 18:25
Aus aktuellem Anlass:
Rezitation bei Regenwetter
Der Regen regnet sich nicht satt. Es regnet hoffnungslosen Zwirn. Wer jetzt 'ne dünne Schädeldecke hat, dem regnet's ins Gehirn. Im Rachen juckt's. Im Rücken zerrt's. Es blöken die Bakterienherden. Der Regen reicht allmählich bis ans Herz. Was soll bloss daraus werden? Der Regen bohrt sich durch die Haut. Und dieser Trübsinn, der uns beugt, wird, wie so Manches, subkutan erzeugt. Wir sind porös gebaut. Seit Wochen rollen Wolkenfässer von Horizont zu Horizont. Der Neubau drüben mit der braunen Front wird von dem Regen täglich blässer. Nun ist er blond. Die Sonne wurde eingemottet. Es ist, als lebte sie nicht mehr. Ach, die Alleen, durch die man traurig trottet, sind kalt und leer. Man kriecht ins Bett. Das ist gescheiter, als dass man klein im Regen steht. Das geht auf keinen Fall so weiter, wenn das so weiter geht. (Erich Kästner)