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Vie amoureuse

Je ne le dévoile pas

Harry Jacob Anslinger - Ein Portrait des Drogeninquisitors Teil 2

28.05.2010 à 13:36

Teufel AnslingerSchon während des ersten Weltkrieges kam es in den USA zu journalistischen Attacken gegen uneuropäische Musik. „Vom Teufel" sei sie. Die Illinois Vigilance Asse. behauptete, daß 1921/22 allein in Chicago 1.000 Mädchen durch die Musik auf moralische Abwege geraten seien. Der Chef des State Hospitals in Napa, Kalifornien behauptete unwidersprochen: „Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß rund 50 Prozent der jungen Männer und Frauen zwischen sechzehn und fünfundzwanzig, die im Irrenhaus landen, jazzverrückte Drogensüchtige und Tanzwütige sind. Die Jazz-Kombination: Drogenliebhaberei und öffentliche Tanztheater gehören zusammen. Wo man das eine findet, findet man auch das andere."jaja, liebe Raver, Eure Imageprobleme sind nicht neu, Ihr seid nur das aktuelle Glied einer langen puritanischen Anti-Tanz-Kette, Noch 1998 schob die WeltDrogenbehörde der Popmusik eine Rolle als potentielle „Einstiegsdroge" zu.Warum es gerade der Staat Kalifornien war, der schon 1915 als erster Bundesstaat Marihuana verbot, läßt sich nicht mehr ergründen. Eines der Opfer dieser Verfügung war 1931 Louis Armstrong: „Wir spielten in einem großen Nachtclub und hatten gerade eine Pause. Der Club war jeden Abend übervoll, viele Fans und Leute aus dem Filmgeschäft, sogar einige Moviestars trafen sich dort. Anyway, ich war mit Vic (Berton, dem Schlagzeuger) kurz rausgegangen, um auf dem Parkplatz einen durchzuziehen. Wir kicherten und fühlten uns sauwohl. Da tauchten plötzlich diese beiden großen stattlichen Dicks auf, schlenderten auf uns zu und meinten: 'Gebt uns doch mal den Roach, Jungs:' Armstrong hatte Glück, daßes sich nur noch um einen Stummel handelte und die Bullen Fans von ihm waren. Immerhin saß er deswegen neun Tage im Knast. Offensichtlich hatte ihn der Chef einer Konkurrenzband verpfiffen.Die Liste gebusteter und verfolgter Jazzkiffer enthält viele große Namen ihrer Zeit: Außer King Louis traf es Count Basie, Gene Krupa, Cab Calloway, Duke Ellington, Dizzy Gillespie, Lionel Hampton, Thelonious Monk, Charlie Parker, Billie Holliday, Gerry Mulligan, Stan Getz, Art Pepper (bekam neun Monate, weil er sich weigerte, gegen andere auszusagen, saß insgesamt sechsmal wegen Drogen), Lester Young, Chet Baker, Miles Davies, Art BlakeyEine empfindliche Schlappe erlitt Anslinger, als der amerikanische Soldatensender AFN Musiker bat, Aufnahmen zur moralischen Aufrüstung der Jungs an der Front abzuliefern. Der legendäre Fats Waller spielte für sie die SkyHigh-Kifferhymne: Dreamed about a reefer five foot long, Mighty Mezz, but not too strong ... Das Tonband war schon an tausende Truppen-Basen überall in die Welt ausgeliefert, bevor man den „Irrtum" bemerkte.Beim „Mighty Mezz" Mezzrow handelte es sich um einen speziellen Feind Anslingers. Über dessen Buch Really The Blues schnaubte er empört: „Das Machwerk verschweigt die gefahrvollen Aspekte des Kiffens, glorifiziert Marihuanagenuß und anderen Drogengebrauch. Das Buch stinkt förmlich nach Siff. Ich kann einfach nicht glauben, daß so eine Propagandaschrift für die Drogensucht über Nacht ein sensationeller Bestseller werden konnte."Wiederholt versuchte Anslinger vergeblich, Spitzel in die in sich geschlossene Jazz-Szene einzuschleusen. Anscheinend konnte keiner von ihnen ein Instrument spielen.Nur eine kleine Auswahl aus Dirty Harrys Horrorpropaganda:- Ein erwischter Jugendlicher beschrieb uns eine typische Kifferabsteige: „Der Raum war voller Leute. Es waren wohl fünfzig, aber mir kam es vor wie fünfhundert. Es war total verrückt, Paare lagen überall herum, im Flur schrie eine Frau, zwei Männer versuchten dasselbe Mädel zu vögeln, und das Mädel kreischte und weinte und irgendwie machte das alles keinen Sinn. Man hatte ihre Kleidung herabgezogen, und sie versuchte vergebens, die beiden Männer wegzustoßen ... Der Ort stank und war rauchgeschwängert. Merkwürdige Geräusche waren zu hören, die ich aber nicht orten konnte. Überall schallte Gelächter und Gekicher und weinende Stimmen und Musik und so weiter. Es war absolut verrückt und wild. Ich wollte ja nichts tun. Ich wollte mit keiner der Frauen schlafen. Ich wollte mich nur etwas hinlegen, weil der Raum so groß und überwältigend war, und mich die Menge an einen großen Ball oder so-was erinnerte ..."- Eine der großen-Probleme mit Cannabis ist, daß es unberechenbar wirkt. Ärzte haben hunderte von Tests durchgeführt und berichten, daß es keine Möglichkeit gibt, im voraus einschätzen zu können, wie ein Individuum auf Cannabiskonsum reagieren wird. Bei einem spricht es überhaupt nicht an, der nächste dreht komplett durch und wird zum Berserker und versucht jemanden oder gar sich selber zu erdolchen.Viele der übelsten Gewalttaten und Morde Jugendlicher, die ein neues Kapitel der Schande und Tragödien geschrieben haben, sind direkt auf Hanfvergiftungen zurückzuführen:- Mitglieder einer Jungenbande rissen zwei Mädchen die Kleider vom Körper und vergewaltigten die schreienden Mädels.- Ein sechzehnjähriger in Florida ermordete seine fünfköpfige Familie.- Ein Mann in Minnesota schoß einem ihm Unbekannten eine Kugel in den Kopf.-In Colorado wollte ein Mann seine Frau umbringen, tötete statt dessen aber die Großmutter und sich selber.Jeder dieser Fälle geschah, so Harry, nachdem der oder die Täter vorher Marihuana geraucht hatten.Uff. Echt schlimm. Nur: Beweise für diese Behauptungen blieb er - wieder einmal - schuldig.Nach dem Krieg war plötzlich auch das Marihuana-Problem erledigt. Hasch-Verteufler wurden zurückgepfiffen, Propagandamaterial eingestampft. Anslinger prahlte mit der Anzahl von Inhaftierten und erklärte das Problem für gelöst. Er ließ Zahlen für sich sprechen, Zahlen, die er selber erfand. Zum Beispiel erklärte er, zur Jahrhundertwende habe es eine Million Süchtige im Land gegeben, Ende der 30er nur noch 60.000. Ja, er wußte zum Beispiel, daß es in New York genau 9.458 Süchtige gab. Wie das? Einfach: „Jeder Süchtige wird innerhalb von zwei Jahren behördenbekannt". So ein Stuß wurde ihm damals abgenommen und als Wahrheit landesweit verbreitet. Je nachdem, ob Harry Lob der Presse oder eine Aufstockung seines Budgets suchte, schraubte er Zahlen rauf oder runter. Zahlen-JoJo. Yo!Es kam immer wieder zu einem Aufmucken von Fachleuten, aber Harry machte sie ein. Bedrohlicher wurde für ihn die 1939 in Auftrag gegebene Hanf-Untersuchung im Auftrag des Bürgermeisters von New York, Fiorella La Guardia. Bis auf den heutigen Tag hat es weltweit keine breiter angelegte Cannabis-Untersuchung gegeben. Die Ergebnisse erschienen erst fünf Jahre später, geht es nicht mehr darum, die Debatte mit Argumenten zu gewinnen, man muß nur genügend Staub in den Medien aufwirbeln. Dazu reichen Gerüchte, Halbwahrheiten, moralische Statements. Seine Gegner, wahrheitsliebende, aufrechte Wissenschaftler, Juristen und Akademiker begriffen nie, daß Anslinger sich an keine Wahrheit und an keine Regeln hielt - solange sie seinem Ziel im Wege standen. Anslinger fühlte sich auf einer Mission von Gott. Aber sein Interesse an Hanf erlahmte, visionierte er doch 1945 Legionen süchtiger Gls, die Amerika verseuchen würden. Sie blieben aus, das Öffentliche Interesse an der Arbeit des Bureau of Narcotics schwand rapide. Aber dann hatte er wieder einen Geistesblitz. Als das Nachkriegsamerika von der großen Kommunistenhatz McCarthys heimgesucht wurde, wußte Harry mal wieder die Wahrheit und nichts als (seine) Wahrheit. Nicht der Kommunismus als solcher sei schlecht, sondern das kommunistische Opium würde die Gesellschaft zerstören. Mit Hilfe der Massenmedien überzeugte er die braven Bürger der USA bis zum Ende der 50er Jahre, daß Drogen und Kommunismus nur zwei Seiten desselben Monsters seien.Sein Lebenswerk:Die Single Convention der Vereinten Nationen In den fünfzigerJahren war sich Anslinger der Rolle Frankreichs im Kalten Krieg in Europa bewußt. Also drückte er alle Augen zu und übersah, daß Paris den Opiumhandel in Indonesien für eigene Zwecke unterstützte. Stattdessen klagte er einfach Vietnam des Opiumhandels an.Er behauptete, entgegen besseren Wissens, daß China den Opiumhandel in SüdOstAsien beherrsche. Er nannte 1955 den Vereinten Nationen chinesische Drogenschmuggler aus HongKong, die den britischen Fachleuten in der Kolonie völlig unbekannt waren, die dort auch nie gelebt hatten. „Das sind lächerliche Behauptungen ohne jeglichen Wahrheitsgehalt", ließen die Briten verlauten, „es gibt keinerlei Hinweise, daß die Kommunisten Drogen schmuggeln." Anslinger verschwieg, daß es die CIA war, die ihre Hände in der Opiumerzeugung im Goldenen Dreieck hatte. Was waren also die Motive für seine Lügengeschichten?Ein Beweis seiner Ignoranz der asiatischen Realität war eine Auflistung der 246 einflußreichsten Drogendealer der Welt, die sein Büro 1965 erstellte. Asien fand dort, bis auf zwei Personen, einen Rolf Schmoll, der eine einheimische Prinzessin geheiratet hatte, und den korsisch/französischen Kokainschmuggler Michel Libert, nicht statt. Nicht ein einziger Hinweis auf burmesische OpiumKings oder Syndikate aus HongKong, obwohl diese schon die ganze Welt mit Heroin überfluteten. So wundert sich Alfred McCoy in seinem Buch über die Heroinpolitik, indem er weiter ausführt: „Zweimal nach dem 2. Weltkrieg, jedesmal in kritischen Momenten, nämlich in den späten 40ern und den späten 70ern, immer wenn der Heroinnachschub in die USA nachließ und die Zahl der Süchtigen zurückging, kam es zu verstärkten Aktionen der CIA und ihren Verbündeten und plötzlich schwappten wieder Heroinwogen ins Land." Nun, im vorliegenden Buch geht es um Cannabis und nicht um Heroin. Immerhin sollte festgestellt werden, daß offensichtlich jene Kräfte, die das eine immer als Einstiegsdroge für das andere verteufelt haben, dafür gesorgt zu haben scheinen, daß zumindest die gewinnbringendere Substanz allzeit verfügbar war. Und ist? Nein, ich erwarte nicht, daß das jemand glaubt, aber nach der Lektüre von McCoys fundiertem Buch und anderen Quellen bleibt einem gar nichts anderes übrig, selbst wenn man kein Paranoiker ist.1961 feierte Anslinger seinen größten Erfolg: Die Drogenkommission der Vereinten Nationen verabschiedete die Single Convention an Narcotic Drugs. Zum ersten Mal gab es damit eine globale Übereinkunft, daß der „Krieg den Drogen", speziell gegen Opiate und Cannabis, gerechtfertigt, ja Pflicht eines jeden Landes sei. Diese Convention, die 1971 um psychoaktive Substanzen wie Halluzinogene, Barbiturate und Amphetamine ergänzt wurde, ist die Grundlage der Anti-Drogen-Gesetze aller Staaten. Noch kurz vor seinem Tod erklärte Harry stolz, daß Zwischenzeitlich hatte Anslinger es recht gut verstanden, einen Großteil der beteiligten Forscher zu diffamieren, die gefundenen Ergebnisse anzuzweifeln, aber es half nichts: Jedes Horror-Szenario, das Anslinger Et seine Schergen gegen Cannabis aufgebaut hatten, wurde als Papiertiger entlarvt. Eigentlich hätte ihn das Job, Kopf und Kragen kosten müssen, aber Ratte Anslinger war zu geschickt. Er begriff, was anderen unklar blieb: Ist ein Problem nur komplex genug, sich kein Land trauen würde, sich aus dieser einmal eingegangenen Verpflichtung zu lösen; der Schelm.Als Anslinger im Mai 1962 wieder seine jährliche Pilgerfahrt zur Drogenkommission der Vereinten Nationen in Genf unternahm, wurde Frankreich mit keinem Wort angeprangert. Stattdessen hetzte er plötzlich gegen China und Kuba, die mit Drogen handeln würden, um so dringend benötigte ausländische Währungen in ihre Länder zu locken. Die Chinesen würden auf Eselspfaden Unmengen von Opium nach Burma, also ins Goldene Dreieck schaffen, damit es von dort aus in die USA geschleust werden könne. Das waren sogar für seine eigenen Agenten vor Ort mal wieder Neuigkeiten, da sie bis dahin keinerlei Beweise für chinesisches Opium gefunden hatten. In den Fünfzigern suchte der CIA-Vorgänger OSS krampfhaft nach einer Wahrheitsdroge. Es wurde auch spekuliert, ob man nicht das gute alte Hanf-Kraut dafür nutzen könnte. Fachleute, unter ihnen Anslinger, wurden hinzugezogen. In einer Zeit, in der er am liebsten jeden farbigen Jazzer wegen Kiffens ins Zuchthaus gebracht hätte, unterschrieb er einen Report, aus dem hervorging, daß „der psychotischste Aspekt von Marihuana sei, daß es im Konsumenten unkontrollierbares Lachen auslösen würde." Also nix mit Wahrheitsdroge. Und wieder mal nix mit der Wahrheit. Aber die gehörte ja nie zu Anslingers größten Verbündeten.Das Ende des Anti-Drogen-ZornbiesErst zur Zeit Kennedys kam es zu ersten kritischen Artikeln über Anslinger Et seine Agenten in der amerikanischen Presse. Seine Methoden und ihre Effizienz wurden angezweifelt und erstmals wurden Spezialkliniken für Drogensüchtige als Alternative zur bisher gehandhabten Inhaftierung in Zuchthäuser als „Therapie" angeregt. Vor allem ein Rufus King deckte viele seiner Propagandasünden auf. Einen Tag nach der Ernennung von Kennedy zum Präsidenten bekam King Besuch. Ein Kennedy-Berater wollte alle Infos über Anslinger. Es ist überliefert, daß die Kennedy-Brüder auf Grund dieser Gespräche Anslinger loswerden wollten.Er machte sich wenig aus der Kritik, blieb immer häufiger Washington fern, unter anderem um seine krebskranke Frau in Hollidaysburg zu pflegen. Sie starb im Oktober 1961. Ein Jahr darauf, zu seinem 70. Geburtstag, reichte Anslinger nach eigener Darstellung seinen Rücktritt ein. Es wurde aber nie geklärt, ob er freiwillig ging oder gegangen wurde. Did he jump or was he pushed? Harry blieb aber jedenfalls noch einige Zeit der amerikanische Gesandte bei der Drogenkommission der Vereinten Nationen.Bis zu seinem Ende sah er den Feind immer in farbigen Drogenkonsumenten. Die aufkommende Bewegung weißer bürgerlicher Hippies verstand er nun überhaupt nicht mehr. LSD? Das hatte er doch schon in den 50er Jahren für militärische Zwecke testen lassen. Erste Studien 1951 schienen sehr verheißungsvoll, man hoffte schon, den Heiligen Gral gefunden zu haben. Ein CIA-Agent meinte später: „Wir glaubten zuerst, daß man hiermit das Geheimnis des Universums entschlüsseln könnte." Nun, weder das Militär, noch Anslinger konnten das. Vielen Hippies schien es dafür zu gelingen.Drei Bücher hat er geschrieben: The Murderers, The Protectors, The Traffic in Narcotics. Allesamt Sammlungen von chinesischen Opium-Räuberpistolen mit relativ wenig autobiografischem Material. Erwähnenswert das Interview, das er wenige Tage vor seinem Tod gab, und das in High Times abgedruckt wurde. Es zeigt einen verstockten, uneinsichtigen, rechthaberischen Mann, dessen Lebenswerk schon zu seinen Lebzeiten erodierte. Ein nicht mehr lernfähiger Anti-Drogen-Zombie.Am 14. November 1975 starb Harry Jacob Anslinger an Herzversagen. Für viele eine Überraschung, daß er überhaupt ein Herz besaß. „The world's first and greatest narr" wurde 83 Jahre alt, starb blind und, Ironie des Schicksals, stark morphiumsüchtig. Fünfundvierzig Jahre lang hatte er für ein drogenfreies Amerika, ja, für eine drogenfreie Welt gelogen und gelebt.Ein amerikanischer Traum, der wohl nie in Erfüllung gehen wird.

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