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19. November 2008, 00:29 Kolumnen

Feiern, bis der Arzt kommt

mirjam fuchs - Während sich Kollege Rohrer in Helsinki vermutlich sämtliche Weichteile abfriert, kuschel ich mich in die abgetragenen Polster meines Lieblingskaffeehauses in Wien, schlürf eine Melange und lass das vergangene Wochenende Revue passieren. Ich war zum ersten Mal im Leben an eine...

Während sich Kollege Rohrer in Helsinki vermutlich sämtliche Weichteile abfriert, kuschel ich mich in die abgetragenen Polster meines Lieblingskaffeehauses in Wien, schlürf eine Melange und lass das vergangene Wochenende Revue passieren. Ich war zum ersten Mal im Leben an einer Kostümparty. Das ist hier nämlich der grosse Hit: Sich verkleiden und dann Feiern, bis der Arzt kommt. So lautete auch das Motto der Party und dementsprechend wimmelte es von falschen Doktoren, heissen Schwestern und dem einen oder anderen Schwerkranken. Ich gebe es zu, ich war anfangs gar nicht begeistert von der Idee, mich in ein Kostüm zu werfen. Aber die Neugierde siegte und ich montierte ein Häubchen, setzte mein nettestes Schwesternlächeln auf und begab mich in die „Notaufnahme“. Was dann geschah, übertraf meine Erwartungen. Ich hatte mir eigentlich eher eine Art Kindergeburtstag mit dürftig verkleideten jungen Erwachsenen vorgestellt, aber die Leute waren so aufwendig gestylt, dass ich für einen Augenblick wirklich dachte, in einem Krankenhaus gelandet zu sein. Damit der Rest der Welt auch davon erfahren würde, konnte man sich im provisorischen Fotostudio in Pose werfen und schon am nächsten Tag auf einer Internetseite bewundern. Die Generation Myspace lässt wirklich keine Gelegenheit für ein neues Profile Picture aus!

Kaum waren die Fotos im Kasten, ging die Sauferei los. Und das Dökterlen. Mit falschen Spritzen gingen die falschen Schwestern den falschen Patienten an den Kragen, die falschen Kranken verlustierten sich ihrerseits mit den falschen Ärzten. Ich hab noch selten so viele enthemmte junge Menschen auf so kleinem Raum gesehen, da wurde rumgeschmust, es war die reinste Knutschparade. Und alle mit allen! Mädchen mit Mädchen, Burschen mit Burschen, Heteros mit Heteros und Schwule mit Heteros – ein wunderbarer kleiner Liebesreigen.

Es scheint, als würde das Überstreifen eines simplen Kostüms die Menschen mit einem Schlag von ihren ganzen Hemmungen befreien. Vielleicht hat auch der Alkohol eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Egal, ich hab jedenfalls meine Vorurteile über Kostümparties revidiert. Hier in Wien sind das keine peinlichen Fasnachts-Diskos, sondern da steppt der Bär.

Wie es wohl Rohrer im hohen Norden ergeht? Sex, Drugs & Rock’n’Roll gibt’s da ja sicher auch genug. Aber immer nur Knäckebrot und getrockneten Fisch stell ich mir furchtbar langweilig vor… Naja, ich bestell mir jetzt einen hausgemachten Apfelstrudel mit heisser Vanillesauce und denk ganz fest an ihn beim Verspeisen. Mahlzeit und bis in zwei Wochen…!

Was bisher geschah.

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